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Ein paar Tage Licht

Ein paar Tage Licht

Titel: Ein paar Tage Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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Drohung mitschwingen. Erwiese sich das Risiko als zu groß, würde er einen Rückzieher machen.
    Ich wollte, aber ich konnte nicht.
    »Ich dachte, du möchtest nach Japan«, sagte sie.
    Er musterte sie, die Brille auf der Nasenspitze. Die misstrauischen Stirnfalten gefielen ihr nicht.
    »Ich meine nur. Tokio wird doch Ende nächsten Jahres frei.«
    »Oh, Katharina .«
    Sie winkte ab. »Kein Bestechungsversuch. Ich könnte es ohnehin nur ein bisschen forcieren. Du weißt schon, als Abteilungsleiterin.«
    Ost hatte im Nebenfach Japanologie studiert, sprach fließend Japanisch, war fasziniert von Zen-Buddhismus, Bogenschießen, Nō-Theater, all dem exotischen Kram für intellektuelle Jungs, er hielt sich für einen Eugen Herrigel des 21.   Jahrhunderts. Vor längerer Zeit war er für drei Jahre Referatsleiter an der Botschaft in Tokio gewesen, dorthin wollte er zurück, als Botschafter, das war sein Traum. Er war dreiundfünfzig, allmählich wurde es Zeit. Doch er hing im Amt fest, weil er kein Mann der Seilschaften war.
    Sie lächelte charmant. »Annemarie würde sich freuen.«
    Die Falten auf seiner Stirn vertieften sich. Ein bisschen Empörung, ein bisschen Sehnsucht. Sie würde sich noch ein paar Manöver einfallen lassen, um die Sehnsucht zu stärken.
    »Vergiss es, Konrad. Zurück zu deinem Plan.«
    »Meinem Plan?«
    »Deinem Vorschlag in Bezug auf meinen Plan.«
    Ost krakelte von Neuem, eifriger jetzt, als würde ihn der Gedanke an Tokio beflügeln. Sie nippte an ihrer Tasse, griff in die Nüsse. Männer, dachte sie. Die meisten hatten kein Rückgrat, waren nicht bereit, konsequent zu sein. Das galt für Konrad Ost, für Heinrich Zimmermann, viele andere über, neben, unter ihr. Nicht unsympathisch, aber eben schwach. Am Ende passten sie sich der Mehrheit oder den Mächtigeren an.
    Auch das hatte sie an Michael geschätzt: seine Robustheit, wenn es darum ging, Ideen durchzusetzen. Für die eigene Überzeugung einzutreten.
    Es hatte natürlich auch Nachteile.
    Ich möchte Kinder, Kati.
    Ich nicht. Auf gar keinen Fall.
    Dann muss ich gehen.
    Sie fixierte den Knoten von Osts Krawatte, hielt den Atem an. Jetzt keine Tränen, dachte sie. Ist alles nicht so schlimm, bloß eine Frage der Umstellung, von zwei Menschen auf einen. Es konnte nicht so schwer sein, das Ende des Gewohnten als das zu sehen, was es war: nur das Ende des Gewohnten.
    Sie atmete leise ein, hatte die Gefühle wieder unter Kontrolle.
    Ralf Eley in Algier war auch so einer, konsequent bis zur Widerborstigkeit, zum Untergang, wollte sich nicht mit Dingen abfinden, die ihm missfielen. Eine muslimische Untersuchungsrichterin, dachte sie. Ausgerechnet in Algerien.
    Natürlich Lyon. Der Widerborstigste im Bunde.
    Ost sah auf. »Es wird Geld kosten.«
    »Die Abteilung 3 leistet sich viele unnötige Ausgaben.«
    Er lächelte, drehte das Krakelpapier endlich um, sodass sie einen Blick darauf werfen konnte. »Stufe 5 ist die Kanzlerin, 4 sind Niebel, Leutheusser-Schnarrenberger, Bahr und die Ministerpräsidenten, möglichst nicht nur SPD und Grüne, sondern auch Union. Stufe 3 ist der Minister. 2 ist unser Haus. Die anderen Abteilungsleiter, die Staatssekretäre. Stufe 1 sind die Rüstungsexportgegner und die Menschenrechtler. Kirchen, Aktion Aufschrei, Amnesty, Human Rights Watch und so weiter. Die sind vermutlich kein Problem. Und natürlich der Bundespräsident. Ohne den mache ich nicht mit.«
    »Den haben wir in jedem Fall«, log Prinz.

25
    NAHE METZ, FRANKREICH
    Sie waren wieder allein, Mohameds Sohn war nach einer halben Stunde Fahrt an einer Raststätte ausgestiegen. In seinem Citroën hatten Djamel und Aziz die Reise fortgesetzt. Sie hatten den Nebel hinter sich, der Blick ging trotz der Dunkelheit weit in alle Richtungen. Das Land war dicht besiedelt. Wohin Djamel auch sah, überall schimmerten Lichter, unterbrochen von einzelnen Wäldern. Er fand das einladend, all die Lichter, stellte sich Familien in kleinen Häusern vor, hörte sie miteinander sprechen, das Französisch vielleicht ungewohnt wegen des lothringischen Dialekts. Aber er verstand sie, so wie sie ihn mit seinem algerischen Französisch verstanden hätten. Durch die Sprache waren sie miteinander verbunden – durch alles andere getrennt.
    »Rache«, sagte Aziz, den Kopf schüttelnd. Seine Arme flogen durchs Dunkel, die glühende Zigarettenspitze sprang herum. »Wir müssen unbedingt verhindern, dass unsere Leute sich am Regime rächen. Es darf keine Lynchjustiz geben.«
    »Du meinst

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