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Ein paar Tage Licht

Ein paar Tage Licht

Titel: Ein paar Tage Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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Mohamed passt dir nicht, weil er ein Harki ist, Hamza passt dir nicht …«
    »Schon gut, entschuldige.«
    »Du machst mich nervös, weißt du?« Aziz deutete auf das Handschuhfach. Djamel fand eine neue Packung Zigaretten darin, riss das Zellophan ab, öffnete sie.
    Aziz inhalierte hastig und tief. »Seine Frau weiß von nichts, wir können in ihrer Gegenwart nicht reden. Vielleicht beunruhigt dich das.«
    »Vielleicht täusche ich mich ja auch.«
    Der Wald endete.
    »Das Haus da«, sagte Aziz.
    Die Scheinwerfer glitten über eine graue Seitenwand, Erdgeschoss, oberer Stock, nur ein Fenster erleuchtet, unten. Das Haus lag fast unmittelbar an der Straße, ein schmaler, nicht asphaltierter Streifen trennte es davon, zwei Autos parkten dort.
    »Fahr weiter«, sagte Djamel.
    Aziz hatte zu schwitzen begonnen, seine Stirn glitzerte feucht, jetzt roch Djamel den Schweiß, Zigarettenrauch und Schweiß.
    Sie passierten das Haus, nichts zu sehen, nichts geschah.
    »Wem gehören die Autos?«
    »Der Familie. Eines fährt Hamza, das andere seine Frau.«
    Erneut Wald, die Straße beschrieb eine Kurve, einhundert Meter weiter das nächste Dorf. Sie hielten, stiegen aus, liefen zur Biegung zurück, dann zum Anfang des Waldes. Djamel wünschte, er hätte eine Waffe bei sich gehabt. Aber sie waren beide der Ansicht gewesen, dass das zu gefährlich gewesen wäre, falls sie angehalten wurden. Erst in Deutschland lagen Waffen bereit.
    Hamzas Haus von der anderen Seite, alle Fenster dunkel.
    Eine Falle?
    Sie warteten zehn Minuten, nichts geschah. Dann ging im oberen Stockwerk ein Licht an. Das Fenster wurde geöffnet, eine Frau erschien, verschwand. Stimmen erklangen, die Frau, der Sohn. Beide waren wütend, schrien sich an. Der Sohn wollte in seinem Zimmer schlafen, nicht bei den Eltern. Die Frau rief, nur für eine Nacht, das wird doch für eine Nacht mal möglich sein.
    »Komm«, wisperte Djamel.
    Die Familie im Haus, keine Falle.
    Der Küchentisch war für zwei gedeckt, Lamm, Kartoffeln, Bohnen in großen Schüsseln, die Familie hatte schon gegessen. Djamel und Aziz tranken Tee, Hamza Rotwein.
    Er hatte ihnen seine Frau und den zehnjährigen Noureddine vorgestellt, jetzt waren die beiden wieder oben. Der Junge lief polternd herum, während die Frau die Betten bezog.
    »Wir haben nur ein Gästezimmer«, sagte Hamza. »Einer von euch muss im Kinderzimmer schlafen.«
    Djamel lächelte. »Gern, wenn das Bett lang genug ist.«
    »Ist es.«
    An den Wänden der Küche hingen Algerien-Poster, wie man sie in Reisebüros sah, traumhaft schön in ihren Farben und Motiven, doch beliebig. Der Alltag fehlte natürlich, Schmutz, Zerfall, der Schmerz, die Angst. Die weiße Stadt Algier, Tipasa mit den römischen Ruinen und azurblauem Himmel über dem Mittelmeer, die grüne Kabylei, Constantine mit seinen Schluchten und Brücken, die Felsmalereien in den Bergen von Tassili n’Ajjer, Tuareg auf Kamelen in der goldenen Sahara.
    »Bologhine«, sagte Aziz kauend, deutete hinter Djamel.
    Er wandte sich um. Notre-Dame d’Afrique, aufgenommen mit dem Weitwinkelobjektiv, fast irreal.
    »Ich war lange nicht dort«, sagte Hamza. »In der Heimat.«
    »Ist nicht so schön wie auf den Plakaten«, erwiderte Djamel.
    »Sogar noch schöner!«, rief Aziz.
    Man sah Hamza die Vergangenheit beim Militär an, er schien sie zu kultivieren. Er war nicht allzu groß, aber breitschultrig, durchtrainiert, streng, die Haare kurz. Das Gesicht war hager, fast asketisch, die Augen bewegten sich kaum. Djamel fand ihn klar und entschlossen in allem, was er tat. Kein Zögern, keine Verschlagenheit, dafür Selbstdisziplin. Er trank den Wein langsam, ein kleiner Schluck alle paar Minuten genügte. Frau und Sohn gegenüber hatte er sich distanziert verhalten, doch Djamel hatte die Zuneigung gespürt. Keine Unsicherheit, keine Irritation, nicht einmal, als Hamza bemerkt hatte, dass Djamel ihn beobachtete.
    Er war sich jetzt fast sicher, dass sie ihm vertrauen konnten. Aber das Gefühl blieb, das Misstrauen war nicht verflogen. Es hatte, dachte er irritiert, nichts mit Hamza zu tun.
    Aziz war nach draußen gegangen, um zu rauchen. Hamza sah ihn abwartend an.
    Djamel nickte. »Reden wir.«
    »Ich bringe euch etwa zweihundert Landsleute aus Italien«, sagte Hamza. »Die Hälfte ist um die zwanzig, viele um die vierzig, ungefähr ein Zehntel sind Frauen. Sie trainieren seit ein, zwei Jahren, Boxen, Kickboxen und so weiter, alles, was man üben kann, ohne Aufsehen zu erregen. Ein paar

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