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Ein paar Tage Licht

Ein paar Tage Licht

Titel: Ein paar Tage Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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Verpackung jeweils gut einen Meter hoch, elektronischen Kleinkram. Starke Männer trugen ihr die Waren in die Tiefgarage.
    Wegner folgte ihr nach Hause, Paul-Lincke-Ufer am Landwehrkanal. Vierstöckige Gründerzeithäuser, saniert und angesagt, der eine oder andere Politiker wohnte hier. Prinz und ihr Lebensgefährte wohnten im Dachgeschoss.
    Sie parkte in zweiter Reihe, Wegner tat es ihr in sicherem Abstand gleich. Entspannt schaute er ihr beim Ausladen zu. Sie gefiel ihm. Feines Gesicht, braune Locken, auf eine dezente Weise weiblich gekleidet. Körperbewusste Bewegungen, elegant, stilsicher, schlank. Die Brüste versteckte sie nicht, betonte sie nicht, natürliche Sinnlichkeit. Das sanfte Licht der Gaslaterne tat ein Übriges.
    Das Smartphone schoss stimmungsvolle Fotos.
    Schon auf Google hatte er sich ein bisschen in sie verguckt. UNSERE SCHÖNSTE DIPLOMATIN , hatte die Boulevardpresse 2008 getitelt, als sie nach Algier gegangen war. Und 2010, nachdem Zimmermann sie ins AA zurückgeholt und zur Beauftragten für Nah- und Mittelostpolitik und Maghreb gemacht hatte: MISS EMBASSY – ZU GUT FÜRS AUSLAND . Angeblich fragte der Playboy Jahr für Jahr an. Angeblich antwortete sie nie. Schade, dachte Wegner.
    Nachdem sie zum dritten Mal am Auto gewesen war, tauchte sie nicht wieder auf. Er stieg aus und schlenderte zu dem Volvo. Im Fond lagen noch die Lautsprecher.
    Am Klingelschild klebte ein Stück Papier, »Prinz« stand darauf. Er stutzte. Kein »Schüring«, der Mann mit dem sie seit zwanzig Jahren liiert war. Stimmten seine Informationen nicht? Er hatte gedacht, sie lebten seit Prinz’ Rückkehr aus Algerien hier.
    Das Treppenhauslicht sprang an, er eilte zum X5 zurück. Kaum saß er, trat sie wieder auf den Gehsteig. Energie und Wille schienen ungebrochen. Die schwersten Lasten, dachte er fast ein bisschen stolz, hatte sie sich für den Schluss aufgehoben.
    Sie zog einen der Lautsprecher heraus, umklammerte ihn mit beiden Armen und hievte ihn hoch. Zwölf bis fünfzehn Kilo, schätzte Wegner, eine veritable Gefahr für die Bandscheiben. Er kannte solche Boxen, hatte mehrere davon in Dahlem und Lichterfelde West und sicherheitshalber seinem Sohn den Triumph gewährt, sie im Gegensatz zum Vater tragen zu können.
    Und plötzlich begriff er. Das Namensschild, die Unterhaltungselektronik – Schüring war ausgezogen und hatte den kompletten Gerätepark mitgenommen.
    Wenig später trat sie in Sportkleidung aus dem Haus, schwarze Leggins, blauer Kapuzenpulli, auf den Armen reflektierten gelbe Streifen. Sie parkte den Wagen, lief in gemäßigtem Tempo los. Auch die ersten Runden im Hohenstaufenpark bewegte sie sich ruhig und locker. Dann wurde sie immer langsamer, blieb schließlich stehen. Stand da, Kopf gesenkt, Hände in den Pullitaschen, umgeben von Dunkelheit und Schatten.
    Ein Geruch, dachte Wegner. Bärlauch. Sonst etwas, was da so wuchs und erinnerte. Oder ein besonderes Geräusch.
    Prinz und Schüring und der Hohenstaufenpark.
    Nach ein paar Sekunden setzte sie sich wieder in Bewegung.
    Seit diesem Moment rannte sie.
    Rischa rief an, auf dem Handy mit der Prepaidkarte.
    »Schwierig.«
    »Ja?«, sagte Wegner.
    »Wär besser, wenn ich rüberfliegen könnte.«
    Die übliche Leier. Rischa wollte immer »rüberfliegen« oder »hinfahren« oder »vor Ort checken«. Die Knastneurose. Hatte viele Jahre lang keine Sekunde außerhalb von Mauern verbracht. Nur Zellen, Flure, Höfe auf einem knappen Quadratkilometer. Klar träumte er von Mexiko, Südkorea, Algerien.
    »Vor Ort fragen und so.«
    »Kein Budget«, sagte Wegner.
    »Ist schwierig von hier aus.«
    »Deswegen arbeite ich mit dir. Weil es schwierig ist.«
    Wegner hatte keine Ahnung, wo »hier« war. Aber er ahnte, dass »hier« seit Rischas Entlassung vor fünf Jahren gleich geblieben war. Er war im Knast klein, brüchig, soziophob geworden, war dort furchtbar unter die Räder gekommen. »Hier« war vermutlich eine Hütte auf irgendeiner einsamen Lichtung mit Blick bis zum Horizont und Glasfaserkabel. Natürlich wäre er nie nach Mexiko, Südkorea, Algerien geflogen. Nie in ein Flugzeug oder einen Zug gestiegen, in dem andere Menschen saßen.
    Beide wahrten den Schein.
    »Also?«, sagte Wegner.
    »Eine E-Mail an sie, Elfenbeinküste, Juli 2009. GMX -Account auf einen Emir Abdelkader, nur diese eine Mail. Ich denke Tag und Nacht an dich, auf Französisch. Je pense à toi jour et nuit. «
    Kein Wüstenprinz also, dachte Wegner, sondern ein Emir. »Sonst noch

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