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Ein paar Tage Licht

Ein paar Tage Licht

Titel: Ein paar Tage Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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öffentliche Gesicht Deutschlands und der industrialisierten Welt schon einmal gesehen hatten, in Zeitungen, Magazinen, online, im Fernsehen.
    Zutiefst beunruhigt war Wegner nach Pankow gefahren, in Sobichs unterirdisches Reich hinabgestiegen und hatte ihm das Smartphone in die arthritischen Hände gelegt, die unter Adenauer Ruinen abgetragen und seit Willy Brandt Prominenz fotografiert hatten, bis ihm das digitale Zeitalter und all die jungen, schnellen Nachwuchsknipser den Garaus gemacht hatten. Seitdem verkaufte er Gesichter.
    Nach zehn Minuten schlug Sobich die Augen auf. »Roland Grunow, Chef des Bundespräsidialamtes.«
    Wegner fuhr der Schreck in die Glieder.
    Katharina Prinz hatte Zugang zum Bundespräsidenten.

28
    ALGIER
    Die Straßen den Hang hinauf wurden zu Gassen, Wegen, Pfaden. Treppen zweigten ab, nach unten, nach oben, unbeleuchtete Durchgänge taten sich auf, Pforten in die Eingeweide dieser fast hermetischen Welt. Die Häuser rechts und links standen eng zusammen, über sich sah Eley einen Streifen schwarzen Himmels, fingerbreit. Aus dem Nirgendwo erklangen die Stimmen von Frauen und Kindern, von oben, durch Fensterritzen vielleicht. Männer kamen ihnen entgegen, beachteten sie nicht. Eine Handvoll Jugendlicher, die lauernd verstummten, verspielte Aggressivität. Sie schienen ihnen folgen zu wollen, trauten sich dann nicht.
    Streunende Katzen, wie überall in Algier.
    Rigal sagte: »Hast du mal wieder was von ihr gehört? Von Prinz?«
    »Heute Nachmittag, sie ist im Krisenstab. Sonst ruft sie alle paar Wochen an und fragt, was sich so tut in Algier.«
    »Ich hatte den Eindruck, dass sie gern hier war.«
    Eley ließ sich die Überraschung nicht anmerken. »Sie wollte bleiben, aber sie wollte eben auch Karriere machen.«
    »Und? Hat’s geklappt?«
    »Kann man sagen. Sie leitet jetzt die Politische Abteilung. Afrika, Asien, Lateinamerika. Du hast sie damals kennengelernt?«
    »Wie man sich auf einem Empfang eben kennenlernt.«
    Sie überquerten einen kleinen, länglichen Platz, gelangten in eine schlauchartige Gasse, dicht über ihren Köpfen Stromkabelwirrwarr, Balken stützten Häuserwände, von ein paar Gebäuden standen nur noch die Gerippe. Le pouvoir lasse die Kasbah verfallen, sagte Rigal, Stätten des UNESCO -Weltkulturerbes seien ihr nicht geheuer, internationale Aufmerksamkeit. Wahrscheinlich hänge es auch damit zusammen, dass die Islamisten in den Neunzigern hier viele Rückzugsbasen gehabt hätten wie schon die FLN -Kämpfer in den Fünfzigern. Die Kasbah, das ideale Versteck für Staatsfeinde.
    Eley hörte nur mit einem Ohr zu, dachte an etwas anderes, ein Gespräch mit Katharina Prinz gegen Ende ihrer Zeit in Algier, nach irgendeinem aufreibenden islamistischen Terrortag, an irgendeinem der wenigen Bartresen der Stadt.
    Und ich dachte, du verlangst, dass ich es beende.
    Dann tu so, als würde ich es verlangen, Ralf.
    Warum sprichst du es nicht aus?
    Was, verdammt?
    Dass ich die Beziehung mit Amel beenden muss.
    Bestell mir noch ein Glas Rotwein, ja?
    Liebst du ihn?
    Was? Wen?
    Den, mit dem du nie was hättest anfangen dürfen und den du in ein paar Wochen verlassen musst.
    Du mit deinen Scheißpolizistenfragen und deinem Scheißpolizistengrinsen.
    Die Gasse mündete in Stufen, die in rechten Winkeln in die Höhe führten. Oben wieder ein Platz, eine unscheinbare Moschee, Ornamente auf Kacheln, azurblau. Rigal ließ die Hand darüber gleiten, als wäre es ein Ritual.
    Ein paar Schritte weiter blieb er vor einer verbeulten Metalltür stehen und schloss auf. Das Licht einer schwachbrüstigen Glühbirne, fünfundzwanzig Watt, kam kaum bis in die Ecken. Ein fensterloser Raum aus Stein, Kochecke, ein weißer Plastiktisch mit zwei weißen Plastikstühlen, an der Wand eine Matratze, daneben auf dem Boden ein paar Bücher. Vor einer schmalen Öffnung hing ein Holzperlenvorhang, dahinter zeichneten sich die Konturen von Waschbecken und Toilette ab. Keine Wohnung, dachte Eley. Eine Höhle, Rückzugsbasis eines vereinsamten Weltenretters.
    Er trat in die Mitte des Raums, hörte, wie Rigal die Tür schloss. Plötzlich war da eine seltsame Empfindung, der Körper von einer unerklärlichen Schwere ergriffen, nahm etwas wahr, jemanden. Er hätte sogar sagen können, wo – links hinter ihm.
    »Man spürt sie, oder?«, sagte Rigal.
    Langsam wandte Eley sich um.
    In der Ecke der Außenwand lagen und standen im Halbschatten Waffen auf dem Boden, bildeten einen fast tischhohen Stapel. Pistolen, Gewehre,

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