Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition)
zurückkehren.«
Hester trank ihren Tee aus und stellte die Tasse auf eine der wenigen freien Stellen auf dem Tisch. »Vielen Dank.«
18
Rathbone wusste, dass ihm die Verteidigung aus den Händen glitt. Dabei war er sich immer noch nicht sicher, was der Kern dieses Falles war: Leidenschaft, die am Ende jemanden zum Mord getrieben hatte? Alle seine Überlegungen führten ihn unweigerlich zu seiner Überzeugung zurück, dass Dinah unschuldig war. Dabei fragte er sich allerdings, ob er das vielleicht nur glauben wollte . Der Grund, warum er sich zu Dinah mit ihrer Treue zu Lambourn hingezogen fühlte, lag in seinem inneren Bedürfnis zu glauben, dass es eine solche Liebe wie die von Dinah tatsächlich gab, eine Liebe, die tiefer war als der Überlebenstrieb, tiefer als alle Indizien, die Dinah belasteten. Da hatten selbst die Existenz dieser anderen Frau in Lambourns Leben und sein mutmaßlicher Selbstmord Dinahs Leidenschaft nicht erschüttern können.
War das ein gesunder Glaube oder nur ein Beweis für ihr Unvermögen, sich der Wahrheit zu stellen?
Er lag wach in der Stille seines Schlafzimmers und kam einer Antwort kein bisschen näher. Im Osten wurde der Himmel allmählich hell, und durch den Spalt zwischen zwei Vorhängen drang das Dämmerlicht herein. Es versprach, einer dieser klaren Wintertage zu werden, die das nahende Weihnachten noch festlicher machten. Gestern war der kürzeste Tag des Jahres gewesen. Überall wurden Kränze aus Stechpalmenzweigen und Efeu gebunden und Girlanden um die Türen gewunden. Bald würden Weihnachtssänger durch die Straße ziehen.
Im Garten draußen ließen die letzten Chrysanthemen, die in der Nacht vom Frost gebissen worden waren, die arg zerzausten Köpfe hängen. In der Luft hingen die Gerüche von feuchtem Laub und blauem Holzrauch. Alldem wohnte eine Schönheit inne, die eindringlich daran erinnerte, dass die Zeit nie stehen blieb und der Mensch auch das Wertvollste nicht festhalten konnte.
Dieses Weihnachten würde er allein sein.
Konnte er Dinah überhaupt noch retten? Bisher hatte er immer geglaubt, sich fest auf sein vollendetes juristisches Geschick verlassen zu können. Das konnte ihm nicht einmal Margaret nehmen. Doch jetzt war er sich da nicht mehr so sicher.
Wenn Dinah unschuldig war, wer war dann der Täter?
An wen konnte er sich nur wenden, der etwas bezeugen konnte, das ihm weiterhalf?
Bestand wirklich ein Zusammenhang mit Lambourns Studie? Zenias Ermordung schien doch eher von einer extrem persönlichen und heftigen Emotion herzurühren und nicht von der Gier irgendwelcher Profiteure. Aber war es denkbar, dass Lambourns Tod und der Mord an Zenia nicht in einem Zusammenhang standen, sondern nur zwei schreckliche Ereignisse waren, die unabhängig voneinander binnen zweier Monate zufällig dieselbe Familie getroffen hatten? Suchte er ein Muster, das es überhaupt nicht gab?
Wenn das zutraf, war Dinah unschuldig und Zenia Gadney das zufällige Opfer eines Wahnsinnigen, den sie vielleicht nie finden würden. Mit Sicherheit würden sie jedenfalls in den nächsten zwei Tagen keine Beweise für die Existenz eines solchen Mannes entdecken. Heute war Sonntag. Er wusste, dass Richter Pendock den Prozess noch vor Weihnachten abschließen wollte, das dieses Jahr auf einen Mittwoch fiel. Ansonsten würde sich die Entscheidung bis zur darauffolgenden Woche hinziehen. Die Geschworenen würden sich maßlos darüber ärgern und die Schuld ihm geben.
Er hatte das Gefühl, im Strudel seiner Verzweiflung zu versinken, immer tiefer, bis das Wasser über seinem Kopf zusammenschlug und er keine Luft mehr bekam. Wie albern von ihm! Er lag in seinem eigenen Bett und starrte nach oben zur Decke, an der sich das Tageslicht ausbreitete. Seine Gesundheit war so gut wie eh und je. Was ihn niederdrückte, waren seine Enttäuschung und das Wissen um ein Scheitern, das viel tiefer ging als ein verlorener Prozess. Es war sein Wunsch, Dinah als unschuldig, zurechnungsfähig, tapfer, loyal zu sehen, als eine Frau, die ihren Mann auch noch nach seinem Tod liebte – und zwar mehr als sich selbst.
Es war in diesem Moment, dass er beschloss, Amity Herne noch heute aufzusuchen und irgendwie ein besseres Verständnis von Lambourn und dessen komplizierten Beziehungen zu erhalten. Vielleicht erfuhr er Dinge, die er gar nicht hören wollte, aber es war zu spät, sich gegen Wahrheiten zu sträuben, selbst wenn sie Dinahs Schuld bewiesen.
Jemanden an einem Sonntag zur Essenszeit zu besuchen
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