Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition)
Dr. Lambourn bestürzt war.« Er breitete die Hände aus. »Das könnte ein Unfall gewesen sein, eine Naturgewalt, irgendetwas. Oder aber auch gar nichts. Wir haben nur das Wort der Angeklagten, und das wird jetzt als Vorwand dafür gebraucht, das Ende dieses Prozesses so lang wie möglich hinauszuschieben.«
»Sie haben vollkommen recht, Mr Coniston«, stimmte Pendock ihm zu. »Ich habe keine Geduld mehr für Ihre Zeitverschwendung, Sir Oliver. Wenn Sie keine weiteren Beweise mehr vorzubringen haben, stelle ich das Urteil den Geschworenen anheim.«
Rathbone war verzweifelt. Er konnte Dinah keine weiteren Fragen stellen. Sie hatte sich nach der Verlesung der Anklage als unschuldig bezeichnet. Dem gab es nichts mehr hinzuzufügen.
»Ich habe noch zwei Zeugen, Mylord«, kündigte er mit einer Stimme an, die in seinen eigenen Ohren hohl, ja lächerlich klang. Wo, zum Kuckuck, steckte Monk? Und wo waren Hester und Dr. Winfarthing?
Pendock wandte sich an Coniston. »Haben Sie Fragen an die Angeklagte, Mr Coniston?«
Der Staatsanwalt zögerte. Ob aus Feigheit, weil er jedes Risiko scheute, oder aus Rücksicht, um allen ein nutzloses Ritual zu ersparen, antwortete er dann gelassen: »Nein, Mylord, danke.«
Damit schien Rathbones Niederlage besiegelt. Mit dem Mut der Verzweiflung erklärte er: »Ich möchte Dr. Gustavus Winfarthing aufrufen, Mylord, aber er ist noch nicht eingetroffen. Dafür entschuldige ich mich und bitte …«
In diesem Moment flog die Flügeltür am anderen Ende des Saals auf, und eine hünenhafte Gestalt mit zu Berge stehender, ergrauender Haarpracht, als hätte draußen ein Sturm getobt, eilte mit fliegenden Frackschößen herein.
»Wagen Sie es bloß nicht, sich in meinem Namen zu entschuldigen!«, donnerte er. »Sie können Gift darauf nehmen, dass ich hier bin! Nicht mal ein Blinder auf einem galoppierenden Pferd könnte mich übersehen!«
Gedämpftes Gelächter breitete sich aus, das vielleicht nicht nur von Belustigung herrührte, sondern in gleichem Maße Erlösung von der Anspannung ausdrückte. Selbst ein, zwei Geschworene grinsten über das ganze Gesicht, bis sie jäh merkten, dass das unschicklich war, und sich zwangen, eine würdige Miene aufzusetzen.
Winfarthing schritt durch den Saal bis zu Rathbones Pult, wo er abrupt stehen blieb. »Sind Sie bereit für mich, Sir Oliver? Oder soll ich draußen warten?«
»Nein!« Mit erheblicher Mühe bezwang Rathbone seine Erleichterung und auch seine Besorgnis. »Wir sind durchaus für Sie bereit, Dr. Winfarthing. Wenn ich Sie in den Zeugenstand bitten darf, werden Sie sogleich vereidigt.«
In Wahrheit war er keineswegs bereit. Er hätte zuerst mit ihm unter vier Augen sprechen und erfahren müssen, was der Mann zu sagen hatte, damit er die Vernehmung in die gewünschte Richtung lenken konnte. Andererseits wagte er nicht, Pendocks Geduld allzu sehr zu strapazieren, sonst verlor er vielleicht noch seine letzte Chance.
Winfarthing gehorchte und zwängte seinen mächtigen Körper mit einiger Mühe zwischen den Geländern der engen Wendeltreppe zum Zeugenstand hinauf. Nachdem er geschworen hatte, die Wahrheit, die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit zu sagen, wartete er demütig, bis Rathbone begann.
Der Anwalt sah diesen Mann zum ersten Mal. Er hatte nichts über ihn gewusst bis auf das Wenige, was Hester ihm berichtet hatte. Sehr viel mehr hatte er aus der Art abgeleitet, mit der sie von ihm gesprochen hatte. Schon die bloße Erwähnung seines Namens hatte sie zum Lächeln gebracht.
Obwohl – oder weil – Rathbone nichts mehr zu verlieren hatte, begann er die Vernehmung mit einer Beherztheit, von der er nicht wusste, wo er sie hernahm.
»Dr. Winfarthing, waren Sie mit Joel Lambourn bekannt?«
»Aber natürlich!«, dröhnte Winfarthing und starrte Rathbone mit erhobenen Augenbrauen an, als hätte er einen besonders unbegabten Schüler vor sich, der sich eine Dummheit geleistet hatte. »Hervorragender Mann, und zwar fachlich wie menschlich.« Und als ahnte er schon einen Einspruch aufgrund der Tatsache, dass er nicht nach einer Bewertung gefragt worden war, fuhr er zu Coniston herum und blitzte ihn wütend an.
»Danke«, sagte Rathbone hastig. »Kam er zu Ihnen wegen Ihrer Meinungen oder Erfahrungen mit der Einnahme von Opium, als er in den letzten drei, vier Monaten vor seinem Tod für seine Studie Recherchen anstellte?«
»Natürlich war er bei mir«, erklärte Winfarthing, in Ton und Mimik die Überraschung in Person, als
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