Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition)
hat, wie er es schildert, dann ist das sehr wohl relevant, egal, ob es zutrifft oder nicht – es ist das, was Lambourn danach glaubte.«
»Sie wissen doch überhaupt nicht, ob Lambourn es glaubte oder nicht!«, protestierte Coniston. »Dafür haben Sie nur Winfarthings Wort. Dieser Opiumverkäufer, wenn er denn existiert, könnte … irgendjemand sein! Das ist vollkommen verantwortungsloses Gerede, das die Öffentlichkeit ohne vernünftigen Grund in Angst und Schrecken versetzt.«
»Wenn etwas verantwortungslos ist, dann ist es die Verurteilung Dinah Lambourns, ohne ihr die bestmögliche Verteidigung zu gewähren!«, konterte Rathbone. »Und ohne sämtliche Zeugen und Argumente zu hören, die …«
»Genug!« Pendock hob gebieterisch die Hand. »Das Thema Nadeln ist ohne Relevanz für den Mord an Zenia Gadney. Sie wurde niedergeschlagen und regelrecht ausgeweidet. Was immer Winfarthing über den Verkauf von Opium oder die Sucht danach zu wissen glaubt oder gehört hat, steht in keinem Zusammenhang mit der grotesken Ermordung einer Frau am Limehouse Pier. Weder kaufte noch verkaufte sie Opium, noch konnten Sie beweisen, dass es in ihrem Leben eine Rolle spielte.«
»Danke, Mylord!« Coniston seufzte voller Erleichterung. Rathbone würdigte er keines Blicks.
Pendocks Gesicht war angespannt, aber er nahm Conistons Dank lächelnd zur Kenntnis. Er wandte sich an Rathbone. »Am Montag beginnen Sie Ihr Schlussplädoyer, und dann überlassen wir die Entscheidung den Geschworenen. Haben Sie mich verstanden?«
Rathbone fühlte sich niedergeschmettert. »Ich habe noch eine Zeugin, Mylord«, begann er.
Coniston schoss von seinem Stuhl hoch. »Noch eine Zeugin? Wofür? Mehr Schauergeschichten über die Entwürdigung jener, die sich für ein Leben in Sucht entschieden haben?«
»Gibt es denn noch mehr?«, blaffte Rathbone. »Dann wissen Sie offenbar mehr darüber als ich!«
»Ich weiß, dass es viel Geschwätz und Lust am Skandal gibt«, erwiderte Coniston. »Dazu Sensationsgier und Bestrebungen, Panik zu schüren, um die Leute vom Mord an der armen Zenia Gadney abzulenken. Und Sie reden von Gerechtigkeit! Wie steht es um die Gerechtigkeit für sie?«
»Gerechtigkeit für Zenia Gadney hieße, die Wahrheit aufzudecken«, knurrte Rathbone nicht minder zornig. Er wirbelte wieder zu Pendock herum. Unvermittelt bemerkte er dabei zum ersten Mal eine gerahmte Fotografie ein Stückchen rechts vom Richter, die normalerweise in dessen Blickrichtung mit der Rückseite zu den Besuchern stand. Sie zeigte eine Frau und zwei junge Männer, von denen einer Pendock glich. Es hätte sogar er selbst sein können, nur fünfunddreißig Jahre jünger. Auch der andere Junge ähnelte ihm, wenn auch nicht so stark. Brüder?
Alt konnte das Bild jedenfalls nicht sein, denn die Frau trug ein modisches Kleid von einem Schnitt, den es erst seit ein, zwei Jahren gab. Und als Pendock ein junger Mann gewesen war, hatte man Fotografien noch nicht gekannt. Kurz, die Personen auf dem Bild mussten seine Frau und seine Söhne sein. Und einer der Söhne kam Rathbone merkwürdig bekannt vor. Der Anwalt war sich fast sicher, ihn schon einmal gesehen zu haben – in einer anderen Umgebung und nicht in dieser eleganten Haltung wie hier mit seiner Mutter. Auf jener anderen Fotografie hatte er weit spärlicher bekleidet, ja, in seiner Nacktheit erotisch posiert, und die mit ihm abgelichtete Person war ein kleiner Junge mit schmaler Brust von allenfalls fünf, sechs Jahren gewesen.
Coniston redete. Rathbone wandte sich zu ihm um und wartete darauf, wieder das Wort ergreifen zu können. Er fühlte sich auf einmal benommen und schwindlig; um ihn herum wankten die Wände.
Coniston stockte und blickte ihn besorgt an. »Fehlt Ihnen etwas?«
»Nein, nein«, log Rathbone. »Danke, aber ich … habe nichts.«
»Dann werden Sie am Montagvormittag Ihr Schlussplädoyer halten«, erklärte Pendock steif.
»Sehr wohl … Mylord«, murmelte Rathbone. »Ich … werde kommen.«
Damit war er entlassen. Noch einmal schielte er auf die Fotografie in ihrem kunstvollen silbernen Rahmen, dann entschuldigte er sich und stolperte hinaus. Zurückblieben Coniston und der Richter.
Benommen kehrte Rathbone nach Hause zurück. Der Hansom hätte ihn überallhin fahren können, ohne dass er es gemerkt hätte. Als sie vor seiner Haustür anhielten, musste der Kutscher ihn mit einem Zuruf daran erinnern. Er stieg aus, bezahlte den Mann und erklomm die Stufen zur Vordertür. Mit Ardmore,
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