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Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition)

Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition)

Titel: Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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wozu ein Gentleman sich hergeben, geschweige denn es als Waffe benutzen würde, um andere zu schädigen. Er würde für sich behalten, dass Rathbone es nur deshalb hatte verwenden können, weil Pendocks Sohn schutz- und obdachlose Kinder verführt oder vergewaltigt hatte.
    Doch wenn er darauf verzichtete und Dinah Lambourn gehängt wurde, wie würde er sich dann fühlen? Was würden Monk und Hester von ihm halten? Und – wichtiger noch – wie würde er von sich denken?
    Würde er je wieder für etwas kämpfen, nachdem er sich seiner Verantwortung entzogen hatte? Konnte irgendetwas das noch entschuldigen?
    Wie auch immer, ob er die Fotografien nun verwendete oder nicht, was wurde dann aus ihm selbst?
    Ein biederer, moralisch einwandfreier Feigling, der sich fügte, während eine unschuldige Frau den Gang zum Galgen antrat? Ein unbescholtener Mann, der sein restliches Leben lang von Alpträumen verfolgt werden würde, wenn er allein in einem stillen Haus in seinem prächtigen Bett lag?
    Oder ein Mann, der sich die Hände mit Erpressung beschmutzt hatte, um einen schwachen Richter zu Ehrlichkeit zu zwingen?
    Er aß das letzte Sandwich auf, verspeiste den Kuchen und trank den Brandy bis zum letzten Tropfen. Am Montag würde er einen Schritt wagen, der sein Leben verändern würde – und vielleicht auch das von Dinah und demjenigen, der Lambourn und Zenia Gadney ermordet hatte.
    Er stand auf und lief zum Tresor hinüber, in dem er Arthur Ballingers Fotografien verwahrt hatte. Eines Tages würde er einen besseren Ort dafür finden müssen, aber nicht heute, und fürs Erste war er froh, dass er sie noch bei sich hatte.
    Er entriegelte den Panzerschrank und nahm die Schachtel heraus. Als er sie öffnete, verspürte er, da er seine Entscheidung nun getroffen hatte, Ruhe in sich. Eine nach der anderen betrachtete er die Fotografien. Ihre Grobheit widerte ihn an, aber noch mehr quälten ihn ihre Grausamkeit und die Gleichgültigkeit gegenüber der Erniedrigung und dem Schmerz der Kinder.
    Und da war es. Es war dasselbe Gesicht wie dasjenige in Pendocks silbern eingerahmter Fotografie. Und am unteren Rand des Bildes vor ihm stand in Ballingers Handschrift der Name »Hadley Pendock«, zusammen mit dem Ort und dem Datum der Aufnahme.
    Rathbone legte das Bild zurück, machte einen Vermerk in seinem Tagebuch, verschloss die Truhe und verwahrte sie erneut im Tresor.
    Er wusste, was er am Montag vor der Wiederaufnahme des Prozesses tun musste, wie schwer auch immer es ihm fiel, wie schmerzhaft und abstoßend es auch immer war. Die Scham schmeckte bitter, doch das war eine Kleinigkeit im Vergleich zur Schlinge des Henkers.

23

    Lange vor Beginn der Gerichtssitzung sperrte Rathbone am nächsten Morgen den Safe wieder auf und nahm einen der Abzüge, die Ballinger von Hadley Pendocks Fotografie angefertigt hatte, heraus. Das Bild war ziemlich klein – es ließ sich mühelos von einer Hand verdecken –, aber es sollte ja nur eine Kostprobe sein. Gleichwohl waren die Gesichter deutlich zu erkennen.
    Rathbone steckte es in die Fracktasche zwischen zwei weiße Bögen Notizpapier und verließ das Haus. Heute musste er früh am Old Bailey sein; darum nahm er einen Hansom. Während der Fahrt durch die am frühen Morgen grauen und eisigen Straßen weigerte er sich, seine Gedanken noch einmal zu dem wandern zu lassen, was er tun musste, wie er es vorbringen sollte oder wie Pendock reagieren würde. Er hatte sich entschieden, und es gab kein Zurück mehr. Nicht, dass er seinen Schritt guthieß, nur war die Alternative noch unerträglicher.
    Er traf noch vor dem Büttel am Gericht ein und musste warten, bis der Mann angeschlurft kam, sichtlich verblüfft, Rathbone so früh am Morgen anzutreffen.
    »Ihnen fehlt doch nichts, Sir Oliver?«, fragte er besorgt. Seine mitleidsvolle Miene verriet, dass er mitbekommen haben musste, wie es im Prozess stand.
    »Nein, nein, danke, Rogers«, antwortete Rathbone mit Grabesstimme. »Ich muss nur vor Beginn der Sitzung mit Seiner Lordschaft, dem Richter, sprechen. Es geht um einen Punkt von größter Tragweite und könnte bis zu einer halben Stunde dauern. Bitte entschuldigen Sie die Umstände, die ich Ihnen bereite.«
    »Das sind doch keine Umstände, Sir Oliver«, versicherte Rogers ihm. »Das ist ja wirklich eine traurige Sache. Vielleicht dürfte mir Mrs Lambourn nicht leidtun, aber so ist es nun mal.«
    »Das spricht für Sie, Rogers«, meinte Rathbone mit einem müden Lächeln. »Darf ich hier

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