Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition)
Lebens wieder zurückholen, Normalität vorgeben und es der Zeit erlauben, die Wunde wenigstens an der Oberfläche zu heilen.
Monk mochte sie nicht, und das verstärkte seine Schuldgefühle darüber, dass er nicht aufhörte nachzubohren.
»Irrtümer?«, fragte er.
»Sein letztes Gutachten war ein Fiasko, und die Regierung verwarf es. Sie hatte keine andere Wahl. Er hatte sich von Grund auf getäuscht. Daran trug er sehr schwer. Er wollte es einfach nicht wahrhaben, obwohl er eindeutig widerlegt worden war. Und das ist der Grund, warum er sich umgebracht hat. Er konnte seinen Kollegen, die Bescheid wussten, nicht ins Gesicht schauen. Armer Joel …«
»Und Mrs Gadney?«, fragte Monk, sanfter jetzt.
Amity zuckte mit den Schultern. »Ich kann es nicht mit Gewissheit sagen, aber es lässt sich leicht denken. Dinah ist eine schöne Frau, aber sehr … anspruchsvoll.« Das letzte Wort sprach sie mit geschürzten Lippen aus, als steckte eine tiefere, persönlichere Bedeutung dahinter. »Sie ließ ihm keinen Raum, in dem er auch weniger perfekt sein konnte. Vielleicht wünschte er sich eine Frau, die eine bloße Freundin war, die ihm einfach nur zuhörte, seine Interessen teilte, ohne unaufhörlich Bedürfnisse zu äußern.«
Flüchtig eröffnete sich Monk ein Blick auf unerträgliche Einsamkeit, auf emotionale Erschöpfung in einem Moment, da die gewaltige Enttäuschung und Vorwürfe, er hätte andere betrogen und im Stich gelassen, sich immer bedrohlicher vor dem Mann auftürmten und ihm mit jedem Fehler, jedem Nachweis eines Irrtums, jeder neuen Lüge zunehmend die Kehle zuschnürten.
Eine gewöhnliche Prostituierte mit nettem Gesicht, die genauso einsam, genauso vertraut mit dem Geschmack des Scheiterns war, musste in einer solchen Situation wie ein Geschenk des Himmels erscheinen. Endlich jemand, mit dem man lachen und weinen konnte, endlich jemand ohne fertiges Urteil, ohne jede Erwartung – außer anständig behandelt und bezahlt zu werden.
Würde Dinah das auch nur ansatzweise verstehen? Wahrscheinlich nicht. Ihr einziger Weg, damit umzugehen, bestünde wohl darin, es zu leugnen oder – falls das überhaupt möglich war – es zu ignorieren.
Hätte Dinah auch noch andere Dinge von ihm verlangen können, Dinge physischer Natur, die ihr zu bieten er zu müde, zu besorgt oder aus anderen Gründen unfähig war? Liebe umfasste weitaus mehr als ständiges Lob und den Glauben an den anderen. Bisweilen war es einfach die innere Ruhe, weil keine Erwartungen erfüllt werden mussten, weil man scheitern durfte und trotzdem geliebt wurde.
Er dachte an Beispiele seines eigenen Scheiterns zurück, und davon gab es das eine oder andere. Mehr als einmal hatte er sich durch seine Antipathie gegen Runcorn, seinen früheren Vorgesetzten, von der Konzentration auf die Wahrheit ablenken lassen. Und es hatte noch andere Fehler gegeben. Der schlimmste war vielleicht seine Überheblichkeit, die es dem Mörder Jericho Phillips ermöglicht hatte, mit einem Freispruch davonzukommen. Hester hatte ihm weder damals Vorwürfe gemacht noch ihn später daran erinnert.
Als er die größte Angst vor seiner eigenen Vergangenheit hatte, als die Geister, die sein Gedächtnisverlust nur verborgen hatte, ihn in den ersten Jahren grausam verfolgten, hatte Hester ihn nie einen Feigling gescholten, weil er diese Geister fürchtete. Und bei der Ermordung von Joscelyn Grey hatte sie die Möglichkeit seiner Schuld nicht ausgeschlossen, sehr wohl aber eine Kapitulation ohne einen bedingungslosen Kampf, und wenn er mit dem Rücken zur Wand ausgefochten werden musste.
Sich aus Erschöpfung in die Niederlage zu fügen, das hatte es bei ihr nicht gegeben. Vielleicht war das eine ihrer größten Stärken. Die ganz gewiss größte war freilich die Liebe in ihr, die jeder Mensch in seinen dunkelsten Momenten benötigte.
War der Mangel an solcher Liebe der Grund, warum Joel Lambourn aufgegeben hatte? War er den Anforderungen, die das Heldentum stellte, auf die einzige ihm mögliche Weise ausgewichen?
Monk erhob sich und dankte Amity Herne, obwohl das, was sie ihm gesagt hatte, weit von dem entfernt war, was er hören wollte.
Auf dem Heimweg ließ sich Monk noch einmal durch den Kopf gehen, was Amity gesagt hatte. Es belastete ihn allein schon deshalb, weil er es überhaupt nicht erwartet hatte. Ihre Meinung über Lambourn unterschied sich so grundsätzlich von derjenigen Dinahs, dass er unbedingt noch einen dritten Standpunkt hören musste, um
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