Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition)
nichts, was von Individualität zeugte, nichts, was Begeisterung weckte oder Ablehnung provozierte. Es war nicht nur langweilig, sondern auf verquere Weise trügerisch. Alles Persönliche war verborgen. Amity Hernes Ehemann musste das glatte Gegenteil von ihrem Bruder sein. Einige von dessen Büchern waren auch hier vorhanden, zum Beispiel Shakespeare und Gibbon, Milton hingegen schien zu fehlen. Was Monk am meisten irritierte, war die Art und Weise, wie sie optisch zueinander passend und auf den Millimeter gerade in Reih und Glied aufgestellt waren, als wären sie noch kein einziges Mal herausgenommen worden.
Er musste einige Zeit warten, doch während seiner Inspektion entdeckte er nichts, was ihm einen Einblick in die Leidenschaften oder Überzeugungen des Hausherrn vermittelt hätte, außer dass er bei allem, was er zur Schau stellte, eine gewisse Vorsicht walten ließ.
Amity Herne war eine gut aussehende Frau mit einer spröden, eleganten Aura. Ihr dichtes, blondes Haar war perfekt frisiert, ihre Haut ohne jeden Makel. Sie war fast so groß wie ihre Schwägerin, aber viel dünner. In ihrem elegant geschnittenen, dunklen Kleid wirkten ihre Schultern eine Winzigkeit zu knochig.
»Was kann ich für Sie tun, Mr Monk?«, erkundigte sie sich, ohne ihm einen Stuhl anzubieten. »Leider bin ich heute Abend mit der Gattin des Lord Chancellor zu einer Ausstellung über chinesische Seide verabredet. Sie werden verstehen, dass ich nicht zu spät kommen darf.«
»Selbstverständlich«, versicherte Monk ihr. »Ich komme ohne Umschweife zum Punkt. Bitte verzeihen Sie, wenn ich mit der Tür ins Haus falle. Ich untersuche den Tod einer Frau namens Zenia Gadney.«
Amity Herne runzelte die Stirn. »Ich kann mich an niemanden dieses Namens erinnern. Es tut mir leid zu hören, dass sie tot ist, aber ich kann Ihnen da nicht helfen. Ich habe keine Ahnung, wie Sie darauf verfallen sind, ich könnte sie kennen.«
»Vielleicht können Sie das wirklich nicht«, räumte Monk ein, ohne ihre verklausulierte Frage zu beantworten. »Aber Ihr verstorbener Bruder kannte Mrs Gadney ziemlich gut …« Er unterbrach sich, als er sah, wie sich ihre Züge anspannten. Das mochte der Trauer geschuldet sein, wirkte auf Monk aber eher wie Verärgerung.
»Mein Bruder bewegte sich nicht in denselben Kreisen wie mein Gatte und ich«, sagte sie sehr leise. Es war deutlich zu erkennen, dass sie ihn als Eindringling empfand, und vielleicht hatte sie – angesichts seines mutmaßlichen Selbstmords – damit auch recht. »Er war in einigen seiner Meinungen … exzentrisch«, fuhr sie fort. »Und wurde es mit zunehmendem Alter immer mehr. Es tut mir leid, dass Sie offenbar Ihre Zeit verschwendet haben.«
Monk rührte sich nicht von der Stelle. »Seine Witwe sagt, dass Dr. Lambourn Mrs Gadney gut kannte, und die Aussagen von Bewohnern ihres Viertels bestätigen das.«
»Das mag ja zutreffen.« Auch sie bewegte sich nicht und blieb weiter unmittelbar vor der Tür stehen. »Wie ich versucht habe, Ihnen zu erklären, war mein Bruder etwas exzentrisch. Wenn er von etwas überzeugt war, konnte ihn nichts auf der Welt mehr davon abbringen, und mit Sicherheit nicht der gesunde Menschenverstand oder irgendwelche Beweise.«
Monk bemerkte einen bitteren Unterton. Das war ein völlig neuer Aspekt an Joel Lambourn, den sie ihm hier vermittelte. Es war für ihn kein Vergnügen, das zu hören, aber er konnte jetzt nicht lockerlassen, wenn die Chance bestand, dass sich daraus eine neue Spur ergab, die ihn irgendwann vielleicht zu Zenia Gadneys Mörder führte. So zwang er sich, wieder an ihre Leiche zu denken, die verkrümmt dalag und so viel kleiner wirkte als zu Lebzeiten. Einmal mehr hielt er sich das wächsern weiße Gesicht und den zerstörten Körper vor Augen, das Blut und die blassen, hervorgequollenen Eingeweide.
»Mrs Gadney wurde ermordet«, sagte er leise, bewusst die grausamste Formulierung wählend. »Ihr Bauch wurde aufgeschlitzt und ihre Innereien herausgerissen. Sie wurde auf dem Limehouse Pier abgeladen wie ein aufgeplatzter Müllsack.«
Er ließ diese Worte wirken, um dann in sanfterem Ton fortzufahren. »Dr. Lambourn kannte sie gut genug, um sie einmal monatlich zu besuchen. Seine Witwe sagt, dass sie darüber im Bilde war, ja, dass sie schon seit Jahren davon wusste. Das ist ein Umstand, den ich nicht ignorieren kann. Bisher ist Dr. Lambourn die einzige Person, mit der die Tote anscheinend eine Beziehung, welcher Art auch immer, unterhielt. Andere
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