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Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition)

Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition)

Titel: Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Leute kannten sie nur von gelegentlichen kurzen Gesprächen auf der Straße.«
    Über Amitys Gesicht huschte eine Reihe von Emotionen in derart schneller Abfolge, dass Monk sie nicht identifizieren konnte, es sei denn als verschiedene Formen von Zorn. Wenn Trauer, Mitleid oder Angst dabei waren, wurden sie gleich wieder verdrängt, bevor er sie erkannte. Aber warum sollte sie ihm ihre Verletzlichkeit offenbaren, nachdem er so brutal zu ihr gewesen war? Zorn galt anscheinend bei den meisten als die wirksamste Verteidigung gegen das, was unerträgliche Schmerzen bereitete.
    »Sie sollten sich besser setzen, Mr … Mr Monk«, sagte sie eisig. »Ich werde es Ihnen so deutlich erklären, wie ich kann. Und ebenso kurz. Offenbar gibt es sehr vieles, wovon Sie nichts wissen, was Sie aber allein schon um der Erinnerung an diese elende Frau willen erfahren müssen. Ein solcher Tod sollte weiß Gott niemanden ereilen.«
    Sie trat zu einem großen Sessel hinüber und ließ sich vorsichtig nieder, wobei sie sich mit den Händen auf den Armlehnen abstützte. »Meine Schwägerin, Dinah, ist eine hochemotionale Frau und durch und durch Idealistin. Wenn Sie sie, wie Sie behaupten, kennengelernt haben, dann ist Ihnen das ja vermutlich bewusst geworden. Dinahs Bild von Joel war – gelinde gesagt – völlig unrealistisch.« Sie schüttelte dezent den Kopf. »Sie liebte ihn voller Hingabe, und natürlich auch ihre zwei Töchter, Adah und Marianne. Sie ist noch nicht so weit, dass sie sich der Wahrheit über ihn stellen könnte. Ich wage sogar zu behaupten, dass ihr das nie gelingen wird. Und ich weiß, dass alle Versuche, sie dazu zu zwingen, nichts bewirken werden. Wir alle brauchen etwas, woran wir glauben können. Aber ihr das jetzt zu sagen wäre nicht nur grausam, sondern völlig sinnlos. Das weiß ich aus eigener Erfahrung, denn ich habe mich schuldig gemacht und es selbst versucht.«
    Monk konnte sich lebhaft vorstellen, wie Amity und Dinah mit ihren gegensätzlichen Ansichten über denselben Mann aneinandergerieten, den sie vermutlich beide liebten, wenn auch auf völlig verschiedene Weise. Glaubte Dinah nicht um seinetwillen mit solch zehrender Inbrunst an ihn, sondern um des Mannes willen, den sie gebraucht hatte, damit er ihren Hunger stillte und ihre Träume erfüllte?
    Amity wurde ungeduldig. »Joel war ein charmanter Mann«, fuhr sie fort, den Blick ernst auf Monk gerichtet. »Er war mein älterer Bruder, und ich habe immer zu ihm aufgesehen. Aber so klug er auch war, er war auch ein Mann, der sich in seinen eigenen Ideen verirrt hatte, ein bisschen …« Die Ahnung eines Lächelns flackerte über ihre Mundwinkel und löste sich auf. »Weltfremd«, beendete sie den Satz. »Er steigerte sich in eine Sache hinein und weigerte sich dann, Gegenbeweise zur Kenntnis zu nehmen. Für einen Mann des Glaubens ist das ja vielleicht gut, aber nicht für einen Wissenschaftler. Er hätte Maler werden sollen oder Dramatiker, irgendetwas, wo es nicht auf die Wirklichkeit ankommt.«
    Monk ließ sie reden.
    Sie seufzte. »Als er jünger war, stand er mit den Dingen des wirklichen Lebens viel enger in Verbindung. Ich glaube, er ist erst in den letzten fünf, sechs Jahren von seinem Weg abgekommen.«
    Monk starrte sie an. War sie in dieser Familie die Weise, die Tapfere, die gewillt war, sich der Wahrheit zu stellen, während Dinah nur sah, was sie sehen wollte? Amity strahlte Kälte aus, aber vielleicht war das nur ihre Rüstung, mit der sie sich gegen das schmerzhafte Eingeständnis ihres Scheiterns wappnete. Es gab jedenfalls nichts, womit sie ihm helfen konnte, und vielleicht hatte es nie etwas gegeben.
    Amity senkte den Blick. »In seinem Beruf leistete er die meiste Zeit hervorragende Arbeit. Er war gewissenhaft. Er war charakterfest wie nur wenige. Dinah wird Ihnen das gesagt haben, und sie hat recht. Aber dann wurde das mit dem Opium zur fixen Idee bei ihm, und er interpretierte einige der von ihm gesammelten Fakten falsch. Von da an ging es mit ihm bergab. Er türmte einen Irrtum auf den anderen, bis es für ihn keinen Ausweg mehr gab.«
    Ihr Gesicht war düster und zeugte von vollendeter Konzentration. Monk beschlich das Gefühl, sie zwänge sich, all ihre inneren Qualen und Schmerzen an einem geheimen Ort zu verbergen und nur noch den Teil der Wahrheit bei sich zu behalten, der gesagt werden musste. Und nachdem sie Monk diesen Ausschnitt vermittelt hätte, würde er sie verlassen. Sie selbst würde danach die übrigen Teile ihres

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