Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition)
unterdrücken wollte«, sagte Hester und beobachtete dabei Winfarthing.
Der nickte sehr langsam. »Wohl möglich, nehme ich an. Mit Opium werden Vermögen erworben und verloren. Doch in seinem Fall nicht sehr wahrscheinlich. Ich …« Er stockte.
»Was?«, fragte Hester hastig.
Er blickte sie an, das Gesicht vor Trauer ganz faltig. »Mir würde die Vorstellung widerstreben, dass die Korruption so tief verwurzelt ist, dass jemand einen Mann wie Joel Lambourn ermorden und als Versager und als Selbstmörder anprangern lässt, um so den Missbrauch von Opium zu vertuschen und ein dringend benötigtes Gesetz zu verhindern, das nicht nur den Verkauf von Opium, sondern von sämtlichen pharmazeutischen Erzeugnissen regeln würde.«
»Bedeutet das, dass Sie das nicht in Betracht ziehen werden?«
Er beugte sich ruckartig vor und funkelte sie an. »Das bedeutet es absolut nicht! Wie können Sie es wagen, mich das zu fragen?«
Sie schenkte ihm ein Lächeln voller Charme, wie man es bei ihr nicht oft sah. »Ich wollte Sie lediglich so weit reizen, dass Sie mir helfen. Aber diskret natürlich. Ich … ich will doch nicht, dass jemand Sie mit aufgeschnittenen Pulsadern auf dem One Tree Hill findet.«
Er stöhnte laut auf. »Sie sind ein arglistiges Weib, wie es im Buche steht, Hester! Da sitze ich und denke schon, Sie wären Evas einzige Tochter, die sich nicht auf die Kunst verstünde, einen Mann um den Finger zu wickeln. Was für ein Narr ich mit meinen frommen Wünschen doch bin! Natürlich werde ich Ihnen bei dieser Sache helfen – um Joel Lambourns willen, nicht, weil Sie mich bezirzt haben!«
»Danke«, sagte sie aufrichtig. »Wenn Sie nach Informationen für ein Gutachten suchten, wie er es erstellt hat, worauf würden Sie achten? Und könnten Sie mir das bitte aufschreiben?«
»Nein, das kann ich nicht!«, donnerte er mit plötzlicher Vehemenz. »Der One Tree Hill ist nämlich groß genug für uns beide. Das meiste werde ich selbst erledigen. Ich kann schließlich bei den hohen Tieren, die ich kenne, genügend Ausreden, Erklärungen, Gründe vorbringen. Sie können es in den Apotheken und Geschäften versuchen, bei Hebammen … und auch bei den Straßenhändlern. Erkundigen Sie sich, was es alles zu kaufen gibt. Sie fragen , haben Sie verstanden? Sie nehmen nichts mit!«
Hester nickte, und nachdem sie ihre Pläne abgesprochen hatten, verließ sie ihn eine Viertelstunde später wieder.
Noch am selben Tag nahm sie ihre Aufgabe in Angriff und machte sich daran, in Rotherhithe unter der grellen Wintersonne durch die geschäftigen Straßen zu marschieren. Vom nahe gelegenen Fluss wehten die Gerüche von Salz und Fisch und die Schreie der Möwen herüber. Wenn sie an eine Kreuzung kam und nach Norden schaute, konnte sie zwischen den Häuserreihen das Sonnenlicht grell auf dem Wasser glitzern oder dunkle Reihen von Masten und Spieren in den Himmel ragen sehen.
Sie erkundigte sich in kleinen Krämerläden, Apotheken und Tabakgeschäften und staunte darüber, wie viele Menschen irgendwelche Mittel verkauften, die eine nicht näher gekennzeichnete Menge Opium enthielten. Selbstverständlich hatte auch sie Opium in der Klinik in der Portpool Lane verwendet, doch sie hatte es in reiner Form gekauft und es in sorgfältig abgewogenen Dosierungen und so sparsam wie möglich angewendet. Nie hätte sie bestritten, dass es nicht nur das beste Mittel gegen Schmerz war, sondern in den meisten Fällen sogar das einzige.
Sie begann ihre Befragungen stets damit, dass sie die Ladeninhaber um Rat darüber bat, wie viel sie einnehmen solle und in welcher Häufigkeit. Dann erkundigte sie sich danach, ob das Alter und das Gewicht des Patienten eine Rolle spielten und unter welchen Umständen die Wirkung davon beeinflusst wurde. Gab es irgendetwas, das das Opium gefährlich werden ließ, zum Beispiel die gleichzeitige Einnahme von anderen Medikamenten oder das Vorliegen bestimmter Krankheiten?
»Hören Sie, gute Frau, entweder Sie nehmen es, oder Sie nehmen es nich’«, fuhr sie ein viel beschäftigter Mann entnervt an und schielte zu den hinter ihr wartenden Kunden hinüber. »Entscheiden Sie sich und stehen Sie nich’ ewig rum. Ich hab keine Zeit für Gerede. Also: Wollen Sie’s, oder wollen Sie’s nich’?«
»Nein, danke«, antwortete sie und stapfte vorbei an den in Ringen aufgehängten Zwiebeln, getrockneten Kräutern und Eimern voller Blumen, den Säcken gefüllt mit Weizen und Hafer aus dem gedrängt vollen Laden
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