Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition)
hinaus.
Noch einen Tag damit zu verbringen, die Straßen hinauf- und hinunterzulaufen und die Nase in jedes infrage kommende Geschäft zu stecken, war nicht nötig. Es war ein Kinderspiel, Opium zu kaufen, nicht nur in Rotherhithe, sondern auch im übrigen London und in jeder englischen Stadt, egal, wie groß oder klein.
Monk gegenüber erwähnte Hester nichts von ihren Aktivitäten, als er spät am Abend heimkam, müde von seinen Ermittlungen am Fluss wegen Diebstählen und der Ermordung eines Seemanns bei einer Wirtshausschlägerei. Bei letzterer handelte es sich um eine dieser sinnlosen Streitereien im Rausch, die außer Kontrolle geraten war. Beschimpfungen wurden ausgestoßen, die Gemüter erhitzten sich, und plötzlich hatte einer eine zerbrochene Flasche in der Hand und zerfetzte dem Mann die Schlagader. Er verblutete, bevor irgendjemand sich besann und auf die Idee kam, ihm zu helfen. Der Schuldige war geflohen, und es hatte Monk und drei seiner Beamten fast den ganzen Nachmittag gekostet, ihn zu stellen und zu verhaften. Glücklicherweise war es zu keinen weiteren Verletzungen gekommen.
Folglich hatte er auch Orme erst spät getroffen, der immer noch nach dem »Schlächter von Limehouse« fahndete, wie die Zeitungen den Mörder nannten.
Am nächsten Morgen ging Hester in die Klinik, allerdings nur, um Squeaky Robinson um Hilfe zu bitten. Dieser war der Inhaber der Klinikgebäude gewesen, als sie noch das profitabelste Bordell in der Gegend beherbergt hatten, und führte jetzt die Bücher für die Klinik. Mit einem raffinierten Trick hatte ihn Oliver Rathbone dazu gebracht, das ganze Gelände mit sämtlichen Gebäuden einer wohltätigen Stiftung zu spenden und sich auf diese Weise dem Gefängnis zu entziehen. Dem über Nacht obdachlos gewordenen, zutiefst verbitterten Mann, dem von allen Seiten nur Misstrauen entgegenschlug, hatte man dann gestattet, auf dem Gelände zu wohnen und unter penibler Aufsicht die Geschäfte des Hauses in seiner neuen Funktion zu führen.
Seither hatten er und Hester im Laufe der Jahre gelernt, einander zu respektieren, und jetzt genoss Squeaky – zumindest auf bestimmten Gebieten – Sympathie und Vertrauen. Das war ein Umstand, der ihm zu seiner Verwirrung sehr behagte. Freilich hätte er das empört von sich gewiesen, wenn ihm jemand dergleichen unterstellt hätte.
Hester trat in das Büro, wo Squeaky seine Akten und Hauptbücher aufbewahrte. Er saß an seinem Pult und sah fast aus wie ein Schreiber. Regelmäßiger Schlaf in den Nächten und ein Leben frei von Ängsten hatten seine hohlen Wangen wenigstens teilweise füllen können, aber seine Nase war weiterhin lang, sein Gebiss nach wie vor mit kleinen Lücken behaftet und sein Haar strähnig wie eh und je.
»Morgen, Miss Hester!«, begrüßte er sie fröhlich. »Machen Sie sich wegen dem Geld keine Sorgen; uns geht’s nich’ schlecht.«
»Guten Morgen, Squeaky.« Sie nahm ihm gegenüber Platz. »Heute geht es nicht um Geld. Ich brauche Informationen über eine bestimmte Person. Nicht hier – in Limehouse. Wen sollte ich am besten fragen?«
»Sie sollten es bleiben lassen«, sagte er auf der Stelle. »Ich kenn Sie doch. Ihnen geht’s bestimmt um das arme Ding, das sie auf dem Pier gefunden haben, oder? Lassen Sie’s bleiben. Ein Wahnsinniger wie dieser Kerl sorgt für Ärger, den Sie garantiert nich’ brauchen.«
Hester hatte schon mit Widerstand gerechnet und war darauf vorbereitet.
»Sie lebte dort in der Nähe«, begann sie im Konversationston, als hätte er sie gefragt. »Außer Dr. Lambourn muss noch jemand anders sie gekannt haben. Wenn sie tatsächlich auf der Straße arbeitete, hätten wenigstens die anderen Frauen etwas über sie gewusst. Der Polizei werden sie nichts davon verraten, aber miteinander werden sie ja wohl sprechen.«
»Was gibt’s denn da zu wissen?«, fragte Squeaky. Er musterte sie von oben bis unten und schüttelte den Kopf. »Sie war ’ne Hure, die ein bisschen auf die Straße gegangen is’, obwohl sie ihre beste Zeit hinter sich hatte. Ihr fester Liebhaber hat sich weiß Gott warum umgebracht, sie war pleite und hat nich’ mehr richtig aufgepasst. Was gibt’s da noch zu wissen?«
»Vielleicht den Grund, warum er überhaupt zu ihr kam«, regte sie an.
»Also, das is’ was, wovon Sie wirklich nix wissen sollten«, sagte Squeaky scharf. »Wenn er so verrückt war, dass er den ganzen Weg von Greenwich übern Fluss nach Limehouse fahren musste, um sich zu holen, was immer er
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