Ein Paradies der Sinne
an die wunderschöne Aussicht, noch an die Krebse und Hummer, die er fangen würde. Er war besessen von Amy Ryan – vom ersten Augenblick an.
Als er durch den Regen zum Wagen zurücklief, sah Amy so nervös und besorgt aus, wie er sich fühlte. „Ich habe das Haus gekauft“, verkündete er, kaum dass er die Tür zugeschlagen und den Schlüssel ins Zündschloss gesteckt hatte. Wieder einmal war Harry von sich selbst überrascht, denn nur wenige Sekunden zuvor hatte er beschlossen, Amy vorerst noch nichts von dem Kauf zu erzählen, bis sie sich besser kannten.
Die Neuigkeit schien Amy zu erschrecken, aber Harry glaubte, in ihren wunderbaren haselnussbraunen Augen auch eine gewisse Zufriedenheit zu erkennen. Ganz sicher war er sich jedoch nicht, obwohl es ihm gewöhnlich nicht schwerfiel, Leute zu durchschauen.
„Du würdest im ganzen Land kein schöneres Haus finden“, sagte sie nach einem Moment des Schweigens.
Harry sah über die Schulter nach den schlafenden Kindern. „Glaubst du, sie würden zum Abendessen aufwachen? Wir könnten auf dem Festland irgendwo anhalten …“
Amy schüttelte den Kopf. „Vielen Dank für das Angebot“, sagte sie sanft. „Aber ich glaube, es wäre das Beste, wenn ich sie nach Hause bringe. Sie haben schon einen sehr erlebnisreichen Tag hinter sich. Wenn ich sie jetzt noch einmal wecke, sind sie nachher so aufgekratzt, dass sie gar nicht mehr einschlafen werden.“
Wieder machte Harry eine neue Erfahrung: Er war unsicher. Vielleicht war er Amy zu nahe getreten, als er sie im Leuchtturm geküsst hatte. Vielleicht fragte sie sich, was für eine Art Freund er Tyler gewesen sein mochte. Harry hätte wissen müssen, dass er sie nicht einfach küssen durfte, aber er konnte ihr nicht widerstehen.
„Und wie wär’s mit morgen Abend?“, fragte er, ehe er über die Konsequenzen seiner Beharrlichkeit nachdenken konnte.
Amys Lächeln war so lieblich und gleichzeitig reserviert, dass Harry das Bedürfnis verspürte, sie in den Arm zu nehmen und zärtlich zu streicheln. „Oliver und Ashley werden den morgigen Tag mit Tylers Familie verbringen“, sagte sie, und Harry fragte sich, ob sie erwartete, dass er seine Einladung aus diesem Grund zurücknahm.
„Du aber nicht?“, fragte er stattdessen.
Amy zuckte leicht mit den Schultern. „Sie haben mich immer gern da. Aber ich denke, es tut den Kindern gut, ihre Großeltern einmal ganz für sich zu haben.“
Harry vermochte das alberne Glücksgefühl, das ihn befiel, kaum zügeln. „Fein, dann hast du also Zeit, mit mir essen zu gehen?“
Er spürte, dass sie einen inneren Kampf mit sich austrug, der ihm nicht einmal, während er die Überfahrt bezahlte und den Wagen auf die Fähre fuhr, verborgen blieb. Die plötzliche Angst, sie könne ablehnen, brachte ihn beinahe um den Verstand.
„Gern. Ich freue mich darauf“, sagte sie schließlich mit sanfter, etwas unsicherer Stimme.
Mit einiger Anstrengung gelang es Harry, einen Freudenschrei zu unterdrücken, und stattdessen, wie er hoffte, ein weltmännisches Lächeln zustande zu bringen.
„Ich mich auf. Ich mich auch.“
„Das ist genau das Richtige“, bestätigte Charlotte, nachdem Amy ihre Schränke nach einem geeigneten Kleid für die Abendverabredung durchforstet hatte und nun ein hautenges, silbernes, schulterfreies Cocktailkleid hochhielt. Tyler hatte Charlotte als seine „Lieblingsschwester“ bezeichnet, dabei war sie seine einzige. Sie hatte sehr viel Ähnlichkeit mit ihm. Charlotte war eine von Amys besten Freundinnen; daran hatte Tylers Tod nichts geändert.
Das glitzernde Cocktailkleid war teuer gewesen. Sie hatte es erst vor wenigen Monaten für ein Bankett zu Ehren ihres Vaters gekauft und es seitdem nicht mehr getragen.
„Vielleicht ist es etwas zu schick.“ Zögernd legte Amy es auf ihr Bett. „Ich weiß ja nicht, was er vorhat. Vielleicht holen wir uns nur ein paar Calamares an einem Strandimbiss.“
„Mit Harry Griffith?“, fragte Charlotte. „Nie im Leben, Amy. Der Mann hat Klasse! Glaub mir, er wird im Smoking und mit einem Blumenstrauß in der Hand vor deiner Tür stehen.“
So viel Romantik ließ Amys Herz schneller schlagen. Doch sie schämte sich dieser Reaktion sofort. Es würde Tyler sehr verletzen, zu wissen, wie sehr sie sich zu Harry Griffith hingezogen fühlte. Andererseits hatte jedoch Tyler selbst ihr prophezeit, dass sie Harry eines Tages heiraten und sogar zwei Kinder von ihm gebären würde. – Das war alles höchst
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