Ein Paradies der Sinne
verwirrend.
Charlotte wedelte mit der Hand vor Amys Gesicht. „Hallo, Schwesterlein“, neckte sie, „bist du noch bei mir?“
Amy schreckte aus ihren Gedanken hoch und wandte sich abrupt um, um in ihrer Kommode nach einer Strumpfhose zu suchen. „Sag mal, wie lange dauert es normalerweise, bis … man akzeptiert, dass man Witwe geworden ist?“
Ihre Schwägerin schwieg einen Moment, dann legte sie mitfühlend eine Hand auf Amys Schulter. „Ich glaube nicht, dass es da irgendwelche Regeln gibt. Aber Tyler würde es nicht gefallen, dass du ihm den Rest deines Lebens nachtrauerst, Amy, das weiß ich.“
Amy schluckte heftig, um die Tränen zurückzudrängen, die ihr in den Augen brannten. „Ich habe ihn so sehr geliebt.“
Charlotte nahm Amy in die Arme und drückte sie kurz. „Ich weiß“, sagte sie. „Aber, Amy, er ist nicht mehr da, und du bist noch jung. Du kannst dich nicht die nächsten vierzig Jahre hinter deiner Karriere verstecken, um Tyler dann irgendwann ins Jenseits zu folgen. Du gehörst unter Menschen. Du musst leben.“
„Wer sagt das?“, fragte Amy, aber sie wusste, dass Charlotte recht hatte. Das Leben war etwas Wertvolles; es zu vergeuden, wäre eine unverzeihliche Sünde.
Charlotte gab Amy einen kleinen Schubs aufs Badezimmer zu. „So, und jetzt gehst du da hinein und genehmigst dir ein ausgiebiges Bad. Ich setze die Kinder bei Mom und Dad ab.“
„Danke“, sagte Amy heiser vor Rührung und umarmte ihre Schwägerin noch einmal.
Dann befolgte sie Charlottes gut gemeinten Rat. Sie blieb in dem wohl duftenden Schaumbad liegen, bis das Wasser nahezu kalt war. Dann schminkte sie sich, zog ihr Cocktailkleid an und band ihr Haar im Nacken zu einem lockeren Knoten zusammen. Nur ein paar wenige blonde Strähnen umrahmten noch ihr Gesicht.
Als es schließlich klingelte, war Amy gerade dabei, nervös im Wohnzimmer auf und ab zu gehen.
Harry trug einen Smoking – genau wie Charlotte es ihr prophezeit hatte – und sah so sexy aus wie einer jener Männer, die auf Werbefotos für teure Schweizer Armbanduhren zu sehen waren. In einer Hand hielt er einen Strauß exotischer, rosafarben und weiß blühender Blumen.
Als er Amy erblickte, vertiefte sich das Blau seiner Augen noch. Dann lächelte er und hielt ihr den Blumenstrauß hin, zusammen mit einem weißen Briefumschlag.
„Du bist die schönste Frau der ganzen westlichen Welt“, sagte er. Seine tiefe, vibrierende Stimme berührte Amy wie ein intimes Streicheln.
„Komm doch bitte herein.“ Amy klang bedeutend gefasster, als sie sich im Moment fühlte. Sie bewunderte die samtenen, pastellfarbenen Lilien für einen Moment, dann betrachtete sie das Kuvert von beiden Seiten.
„Deine Dividende auf Tylers Einlage in die Opalminen“, erklärte Harry mit rauer Stimme. Er räusperte sich – ohne Erfolg. „Ich wollte ihn dir eigentlich schon gestern geben.“
Amy zögerte.
„Mach ihn auf“, forderte Harry sie auf, während er die Tür hinter sich schloss.
Amy riss den Umschlag mit dem Zeigefinger auf und zog den Scheck heraus. Obwohl es ihr finanziell gut ging, war sie von dem angegebenen Betrag überrascht. Er war hoch genug, um ein komfortabel ausgestattetes Einfamilienhaus damit bezahlen zu können.
„Tyler muss aber eine enorme Summe investiert haben“, stellte sie fest.
„Nun, genau genommen war es das Geld, das seine Großmutter ihm zu seinen Geburtstagen geschenkt hat. Er hatte es gespart“, erzählte Harry.
Amy ging in Tylers ehemaliges Arbeitszimmer hinüber und legte den Scheck in eine der Schreibtischschubladen. Nachdem sie die Blumen in Wasser gestellt und die hübschen Blüten noch einmal voller Rührung betrachtet hatte, reichte Harry ihr den Arm und führte sie zu einer weißen Limousine, die mitsamt Chauffeur vor dem Haus auf sie wartete. Harry half Amy auf den mit rauchblauem Velours gepolsterten Rücksitz und nahm neben ihr Platz.
„Ich habe ganz vergessen, mich für den Scheck zu bedanken“, sagte Amy betreten, als der große Wagen geräuschlos anrollte. So nah, wie Harry neben ihr saß, konnte sie nicht umhin, an den Kuss zu denken, den sie am Tag zuvor miteinander geteilt hatten, und bei diesem Gedanken wurde ihr unermesslich warm.
Harry zuckte nur mit den Schultern. „Das Geld steht dir rechtmäßig zu“, sagte er. Dann hob er die Hand und wickelte eine von Amys gelockten Haarsträhnen um den Finger. „So ein bezauberndes Wesen“, sagte er wie zu sich selbst. „Wenn es etwas so Liebenswertes und
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