Ein Paradies der Sinne
oder?“, neckte er.
Nervös blickte Amy nach vorn. Der Chauffeur war nirgends zu sehen. „Vielleicht könnte ich mir einfach ein Taxi …“
Doch Harry schüttelte den Kopf, ehe sie noch ausgesprochen hatte. „Wenn ich eine Frau ausführe“, sagte er in betont australischem Akzent, „dann bringe ich sie auch wieder nach Hause. Komm her, Amy.“
Es war beängstigend, wie sehr sie sich seines Aftershaves bewusst war, der Weichheit der ledernen Sitzpolsterung und der zärtlichen Forderung in seinen dunklen blauen Augen. Sie versuchte, an Tyler zu denken, aber zu ihrer Verwunderung konnte sie sich nicht einmal mehr genau an sein Gesicht erinnern.
Obwohl Amy vor Gericht aussagen würde, dass sie sich nicht einen Millimeter bewegt hatte, fand sie sich plötzlich in Harrys Armen wieder. Er küsste sie. Das war alles. Und dennoch schmolz Amy dahin wie heißes Wachs. Zum ersten Mal in ihrem Leben sehnte sie sich nach einem anderen Mann als Tyler.
Die getönten Scheiben der großen Limousine boten ein hohes Maß an Privatsphäre, und der Umstand, dass der Fahrer jeden Moment zurückkehren konnte, verlieh der Situation einen Hauch berauschender Dringlichkeit.
Amy vernahm das Klicken der Zentralverriegelung und öffnete die Augen. Doch Harry tat nichts, als sie im Arm zu halten und zu küssen, langsam und genussvoll, als verzehre er eine exotische Nachspeise. Alles schien in Zeitlupe abzulaufen, und Amy gelang es nicht, ihr Schicksal aufzuhalten. Die Erkenntnis, dass sie einverstanden wäre, würde Harry ihr jetzt vorschlagen, ihn in sein Hotelzimmer zu begleiten, schockierte sie.
Die Zentralverriegelung klickte erneut, und wieder riss Amy erschrocken die Augen auf. Harry saß in einer respektablen Entfernung neben ihr und wirkte so elegant und gefasst, als käme er geradewegs von seinem Friseur.
Amy dagegen befand sich in einem Schockzustand. Der Fahrer stieg ein, und Amy hörte, wie Harry ihm eine Adresse gab – ihre Adresse. In die Erleichterung, die sie verspürte, mischte sich auch ein Gefühl der Enttäuschung.
Vor der Haustür beugte Harry sich zu Amy hinunter und gab ihr einen Kuss auf die Nase. „Du bist so schön“, sagte er, „ich konnte dir nicht widerstehen. – Das nächste Mal werde ich mich besser zu benehmen wissen.“
Amys Sinne waren immer noch völlig in Aufruhr. Sie wankte leicht, sodass Harry sie an den Ellenbogen fasste, um sie zu stützen. „Du könntest hereinkommen und noch eine Tasse Kaffee mit mir trinken“, sagte sie und biss sich im nächsten Moment verlegen auf die Unterlippe. Außer Tyler hatte es keinen anderen Mann in ihrem Leben gegeben, daher besaß sie wenig Erfahrung, wie man einen Mann kunstgerecht verführte.
Harrys Lächeln war sexy genug, um tödlich zu sein, obgleich auch ein wenig traurig. „Wenn ich heute Abend über diese Schwelle trete, Amy“, sagte er, „werde ich viel mehr als nur eine Tasse Kaffee wollen. Und keiner von uns beiden ist wirklich dazu bereit.“ Er gab ihr noch einen Kuss auf die Stirn und ging davon.
In Amy hinterließ dieser harmlose, unverbindliche Abschiedskuss eine tiefe innere Leere. Ihre Fassung reichte gerade noch, um die Tür hinter sich abzuschließen und die Kette vorzulegen, aber als Mimi angelaufen kam und ihr mit ihrem seidigen Fell um die Fußgelenke strich, schluchzte Amy laut auf. Sie hob die Katze hoch, nahm sie in die Arme und rannte mit ihr die Treppe hinauf.
Die nächste halbe Stunde – während Amy ihr Kleid auszog, sich das Gesicht wusch und einen Baumwollschlafanzug überstreifte, weinte sie hemmungslos. Amy wusste, sie stand an einem Wendepunkt, von dem kein Weg zurückführte.
Um halb elf am nächsten Morgen klingelte das Telefon.
„Guten Morgen, Amy“, sagte Louise Ryan mit ihrer angenehmen Stimme. „Ich rufe an, weil ich dich um einen großen Gefallen bitten möchte.“
Amy war noch ziemlich verschlafen und fühlte sich matt und ausgelaugt nach dieser Nacht voller Tränen und Grübeleien. „Einen Gefallen?“
„John und ich fahren morgen nach Kansas, zu einem großen Familientreffen der Tylers. Wir wollten eigentlich nicht daran teilnehmen, aber in letzter Minute haben wir uns doch entschieden, es uns auch einmal gut gehen zu lassen. Und, nun, wir würden Oliver und Ashley gerne mitnehmen, wenn es dir nichts ausmacht.“
Amy musste über die zaghaft formulierte Frage ihrer Schwiegermutter lächeln. „Natürlich können sie mitfahren, Louise“, erklärte sie und begann unwillkürlich, sich Gedanken
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