Ein Paradies der Sinne
erreichten sie die Insel, und Harry folgte der Wegbeschreibung, die er sich in sein Notizbuch gekritzelt hatte. Nach einer Viertelstunde hielten sie vor einem malerischen weißen Leuchtturm, an dessen rechter Seite ein lang gezogener Flachbau anschloss. An der Schmalseite des Hauses befand sich ein eingezäunter Garten, komplett mit Rosenbüschen, zwei Sitzbänken aus Sandstein und einem Springbrunnen.
Amy holte tief Luft. „Harry, das ist ja traumhaft“, schwärmte sie.
Wie ein perfekter Gentleman kam Harry um den Wagen herum und öffnete ihr die Tür. Vielleicht war es Zufall, dass ihre Hüften sich berührten, als er ihr aus dem Kleinbus heraushalf, vielleicht aber auch nicht. „Dann bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als den Vertrag zu unterschreiben“, sagte er, und wieder waren seine Lippen den ihren sehr nahe.
Oliver und Ashley bestaunten den Leuchtturm mit großen Augen, ihre Köpfe waren weit nach hinten gebeugt. „Ich wette, von da oben kann man bis nach China gucken!“, jauchzte Oliver.
Ashley stieß ihm den Ellenbogen in die Seite. „Sei doch kein Dummkopf! Wir können höchstens bis Seattle sehen.“
Ein eleganter Sportwagen kam die Zufahrt heraufgefahren und hielt direkt hinter Harrys Auto. „Mr Griffith?“, fragte die champagnerblonde Fahrerin, die mit ihrem teuren pinkfarbenen Freizeitanzug so elegant wirkte, dass Amy sich in ihren Jeans und dem einfachen blauen Pullover klein und unscheinbar fühlte. Doch als die Immobilienmaklerin ausstieg und näher kam, stellte Amy fest, dass sie alt genug war, um Harrys Mutter sein zu können. „Ich bin Eva Caldwell“, stellte sie sich vor.
Nachdem Mrs Caldwell auch Amy und die Kinder begrüßt hatte, die sie für Harrys Familie hielt, zog sie einen Schlüsselbund aus der Tasche und ging ihnen voraus, auf die breite Eingangstür des Hauses zu. „Zuerst stand hier natürlich nur der Leuchtturm. Die übrigen Räume wurden zu Anfang des Jahrhunderts angebaut …“
Von innen war das Gebäude noch imposanter als von außen. Ein Teil des Wohnzimmers, das sich über die gesamte Länge des Hauses erstreckte, lag zwei Stufen tiefer, und die Decke wurde von dicken Holzbalken gestützt. Auch der Fußboden bestand aus massiven Holzbalken. An der langen Wand gegenüber den riesigen Panoramafenstern, die den Blick auf das Meer freigaben, befand sich ein großer offener Kamin, der zu beiden Seiten von zimmerhohen Bücherregalen eingerahmt wurde.
Ein runder Durchgang führte in die Diele, von der vier Schlafräume abzweigten. Vom größten Schlafzimmer aus, das einen eigenen Kamin besaß, ging eine Treppe zu einer Galerie hinauf. Auch hier hatte man einen herrlichen Blick über den Puget Sound. Von der Galerie aus führte eine Tür direkt in den Leuchtturm hinein. Die Kinder rannten voraus und stiegen die Wendeltreppe hinauf, gefolgt von Mrs Caldwell, Harry und Amy.
„In einem solchen Haus müsste eigentlich auch ein richtiger Geist wohnen“, scherzte Harry.
Hätte er Amy einen Eimer Eiswasser übergeschüttet, wäre der Schreck nicht größer gewesen. Abrupt blieb sie stehen und starrte ihn an. Sie spürte, wie ihr die Farbe aus dem Gesicht wich. Woher wusste er, dass sie sich einbildete, Tyler gesehen zu haben? Und wieso machte er sich darüber lustig?
„Amy?“ Harry blieb ebenfalls stehen und ließ Mrs Caldwell, die immer noch von der Entstehungsgeschichte des Leuchtturms erzählte, einfach weitergehen. „Was ist mit dir?“
In dem Moment, in dem sie seine ruhige, beinahe besorgte Stimme hörte, erkannte Amy, dass er gar nichts von ihren Träumen wissen konnte. Und sie war sicher, dass er sie nach einer so kurzen Zeit der Bekanntschaft auch nicht damit aufziehen würde.
„Nichts. Nichts“, antwortete sie schließlich. Ihr Lächeln war noch etwas unsicher.
Harry zog zweifelnd die Stirn in Falten. Dann nahm er sie bei der Hand und ging mit ihr gemeinsam die Treppe hinauf, so als wäre er schon immer mit ihr zusammen gewesen.
Das große schwenkbare Signallicht im Leuchtturm war alt, aber überraschend gut gewartet und bereits mit Elektrizität versehen. „Bei sehr schlechtem Wetter wird der Leuchtturm immer noch eingesetzt“, erklärte Mrs Caldwell.
„Ich kann Seattle sehen!“, schrie Oliver, der auf dem schmalen Laufsteg um die zwei Meter hohe Lampe herumgelaufen war.
„China scheint er aufgegeben zu haben“, flüsterte Harry Amy zu. Zaghaft lächelnd stand er vor ihr, eine Augenbraue ein wenig in die Höhe gezogen.
Amy kam sich
Weitere Kostenlose Bücher