Ein Paradies der Sinne
von Leidenschaft, reifer und viel intensiver.
Und bedeutend gefährlicher.
Harry rutschte ein Stück hinunter und küsste ihren Bauch. „Bleib bei mir, Amy“, sagte er mit heiserer Stimme. „Bitte.“
Harry sagte nie „Ich liebe dich“, noch bat er sie, ihn zu heiraten. Amy war überzeugt, dass er durch die schlechten Erfahrungen der Vergangenheit ehescheu geworden war. Außerdem kam für einen gebildeten Kosmopoliten wie Harry sicher nur eine unkomplizierte Beziehung infrage – ohne irgendwelche Ansprüche, ohne feste Bindung.
„Das kann ich nicht“, sagte sie. Wieder setzte ein sanfter tropischer Regen ein, und die Tropfen fielen auf das Blätterdach des Baumhauses.
Amy war gern verheiratet gewesen. Tyler hatte ihr gezeigt, wie wunderbar eine Partnerschaft, in der man sich körperlich und geistig verstand, sein konnte. Zum ersten Mal seit seinem Tod war Amy bereit, wieder eine echte und dauerhafte Bindung einzugehen.
Amy und Harry verzehrten ihr Picknick nackt in ihrem urig-romantischen Baumhaus. Sie unterhielten sich leise, doch irgendwie hatte der Tag seinen Zauber verloren.
Als der Regen am späten Nachmittag nachließ, kehrten sie zu ihrem Boot zurück und segelten nach Hause. Da es kühl geworden war, als sie im Wohnzimmer beisammensaßen, und es erneut zu regnen begann, entzündete Harry ein Feuer im Kamin.
In dieser Nacht schliefen sie zum ersten Mal, seitdem ihr Abenteuer begonnen hatte, nicht miteinander.
Die nächsten beiden Tage verbrachten sie mit langen Strandspaziergängen, legten sich in die Sonne oder spielten Backgammon auf der Terrasse. Des Nachts konnten sie nicht lange untätig nebeneinanderliegen, aber wenn ihr Liebesspiel auch so befriedigend war wie immer, eine gewisse Distanz war nicht zu leugnen.
Am Morgen des dritten Tages verließ Amy die Insel nur schweren Herzens. Sie wusste jetzt, wie Eva sich gefühlt haben musste, als sie und Adam aus dem Garten Eden verbannt wurden. Harry machte sich im Cockpit des Jets zu schaffen, während Amy ziellos in der Kabine auf und ab lief und wünschte, dass der Traum nie zu Ende gehen möge. – Einige Stunden später landeten sie in Sydney.
„Heute Abend brauchst du das Abendkleid“, sagte Harry, als er nach hinten kam. Er sprach in einem Ton, als unterhielte er sich mit einer flüchtigen Bekannten, nicht aber mit der Frau, für die er sein Bett mit Blütenblättern bestreut hatte.
Ein Chauffeur in einer großen Limousine brachte sie zu ihrem Hotel, von dessen Suite aus sie den Hafen und das Opernhaus sehen konnten.
Die Stimmung blieb gedrückt, und Amy konnte nicht umhin zu denken, dass die Aschenputtel-Zeit trotz all des glitzernden Luxus um sie herum zu Ende war. Der gläserne Schuh würde ihr nicht passen.
9. KAPITEL
Harry Griffith war ein Mann, der sein Leben Jahre im Voraus plante. Er kannte Einzelheiten seiner Zukunft, über die andere Leute erst begannen nachzudenken, wenn sie die sechzig überschritten hatten.
Eines hatte er bei seiner Planung jedoch nicht bedacht: dass er sich verlieben würde.
Als er spürte, dass Amy ins Zimmer trat, wandte er sich vom Fenster ab und drehte sich zu ihr um. Und der Anblick, wie sie in ihrem langen, hautengen Kleid vor ihm stand, ließ seinen Atem stocken.
Er war sicher, dass man ihm diese Regung nicht ansah, denn kühle Reserviertheit war Harrys Stärke. Auf diese Gabe hatte er sich so lange gestützt, dass sie ihm jetzt zur zweiten Natur geworden war.
Amys Augen strahlten eine seltsame Mischung von Trotz und Hoffnung aus, und in diesem Moment entschied Harry, dass er alles aufgeben würde, um mit Amy zusammen sein zu können: seinen Stolz, sein Vermögen, alles …
Er führte sie in die Oper, um „Madame Butterfly“ anzusehen. Anschließend aßen sie in einem Lokal am Stadtrand von Sydney, das Harry sehr schätzte, zu Abend.
„Wie hat dir die Oper gefallen?“, fragte er, als sie auf ihr Essen warteten. Er stellte die Frage scheinbar beiläufig und – wie immer – in ruhigem Ton, und doch waren seine Gefühle voller Aufruhr.
Amy trank einen Schluck Wein, ehe sie antwortete. „Ich kannte das Stück natürlich schon“, sagte sie und wirkte etwas unbehaglich. „Ich muss jedes Mal weinen. Vor allem ärgere ich mich immer wieder über Pinkerton, weil er so wenig für Butterflys Gefühle übrig hat. Er heiratet sie schon mit dem Vorsatz, sie später für eine ‘echte’ Frau wieder fallen zu lassen.“
Harry spürte ein schmerzhaftes rhythmisches Pochen hinter der Stirn.
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