Ein perfekter Freund
der Papiere.«
»Dann verstehe ich den Sinn dieses Gespräches noch weniger.«
Zwei Kellner brachten die Ravioli. Sie aßen eine Weile schweigend.
Sie war es, die den Faden wieder aufnahm. »Warum veröffentlichen Sie nicht einfach Ihre Unterlagen und lassen mich meine Ferien genießen?«
Fabio gab auf. »Weil ich sie nicht mehr habe. So.«
Sie nickte, als hätte sie es schon immer gewußt. »Sie haben sie verloren?«
Er hob die Schultern. »Sie sind weg.«
»Aber Sie wissen, daß Sie sie hatten?«
»Ja. Ich habe darüber geschrieben.« Ein Kellner räumte ihre Teller ab.
»Was genau wollen Sie von mir, Herr Rossi?«
»Gibt es Kopien?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Auch nicht von einem Teil?« Kopfschütteln.
»Aber die Unterlagen gab es?«
»Nein. Sie haben sich da in etwas verrannt.«
»Erinnern Sie sich an Lucas Jäger?«
Die Frage brachte sie einen Moment aus der Fassung. »Wer ist das?«
»Ein Journalist. Er hat mit mir an der Sache gearbeitet.« Und aus einer Eingebung heraus fügte er hinzu: »Er hat Sie im Juni besucht, als ich im Krankenhaus lag.« Fabio sah ihr an, daß sie nicht wußte, ob sie das bestätigen oder bestreiten sollte. Sie ließ es offen.
»Was ist mit ihm?«
»Ich glaube, daß er die Dokumente hat und Sie mit ihm zusammenarbeiten.«
»Sie sind auf dem Holzweg, Herr Rossi.«
Die Kellner brachten zwei gegrillte Seezungen und fragten, ob sie sie zerlegen sollten. »Das schaffen wir schon, nicht wahr?« Jacqueline Barth schaute Fabio an. Er nickte.
Während sie das weiße Fleisch von den Gräten lösten, sprach Fabio. »Ich sage Ihnen, was meiner Meinung nach passiert ist: Sie übergaben mir die Beweise. Ich habe recherchiert, überprüft und versucht, die Sache wasserdicht zu machen. Jemand hat sich daran gestört und mir eins übergezogen. Dabei erlitt ich praktischerweise einen Gedächtnisverlust. Als Lucas klar wurde, daß ich mich nicht mehr an die Sache erinnerte, hat er sie mir geklaut. Die Versuchung war groß, das ist ein Riesending für jeden Journalisten. Und Sie hat er irgendwie dazu gekriegt, exklusiv mit ihm zu arbeiten. So sehe ich das.«
»Sie sehen es falsch.«
»Dann sagen Sie mir, wie ich es sehen muß.« Fabio hatte begonnen, die Fischstücke achtlos in den Mund zu schaufeln.
»Es stimmt, Herr Jäger war bei mir.«
Fabio durchfuhr es heiß, wie so oft in letzter Zeit, wenn sich ein Verdacht gegen Lucas bestätigte.
»Aber er wollte nicht, daß ich mit ihm zusammenspanne. Er wollte, daß ich mit Ihnen nicht zusammenarbeite.«
»Das kommt aufs gleiche heraus. Er hat ja die Dokumente.«
»Er hat gesagt, die Sache hätte Sie in Schwierigkeiten gebracht und würde es wieder tun.«
Fabio schüttelte den Kopf. »Unglaublich«, murmelte er.
»Was schockiert Sie daran? Sie haben selbst gesagt, jemand habe Ihnen deswegen eins übergezogen.«
»Mich schockiert, daß er das als Vorwand benutzt, um die Story selbst bringen zu können.«
Jacqueline Barth hob das Skelett der Seezunge auf den Grätenteller und begann die untere Hälfte des Fisches zu essen.
»Weshalb hat er das nicht längst getan?«
»Vielleicht fehlt ihm noch etwas.«
»Einen anderen Grund können Sie sich nicht vorstellen?«
»Zum Beispiel?«
Sie trank einen Schluck Wein, schüttelte den Kopf und stellte das Glas zurück. Ein Kellner hatte sie beobachtet und kam auf den Tisch zu. Sie sah ihn und nickte. Er änderte die Richtung und ging auf die Bar zu.
»Zum Beispiel, daß er die Sache gar nicht bringen will.«
»Weshalb nicht? Er ist Journalist.«
»Vielleicht hat man ihn darum gebeten.«
»Das würde ihn nicht abhalten.«
»Vielleicht hat man ihn sehr nachdrücklich gebeten.«
Fabio legte Messer und Gabel parallel nebeneinander und wischte sich mit der Serviette über den Mund. »Sie meinen, man hat ihn bedroht?«
»Zum Beispiel.«
Endlich begriff Fabio. »Sie glauben, man hat ihm Geld gegeben, damit er die Sache unter dem Deckel hält?« Er grinste. Inzwischen traute er Lucas ja allerhand zu, aber das?
Er beobachtete, wie der Kellner ein neues Glas aus einer frisch geöffneten Champagnerflasche füllte.
»Falls Sie das allen Ernstes vermuten, müßten Sie erst recht mit mir zusammenarbeiten.«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Sie müßten doch daran interessiert sein, daß die Öffentlichkeit von der Sache erfährt.«
Sie hob die Schultern.
»Tausende, Zehntausende haben prionenverseuchte Schokolade gegessen, und Sie sind nicht daran interessiert, daß die Schuldigen zur
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