Ein perfekter Freund
Kopf:
»Anche tu diventerai com' un vecchio ritornello che nessuno canta più.«
Auch für Norina war er ein alter Refrain geworden, den niemand mehr singt.
17
Fabio verließ Salerno kurz vor elf im Intercity. In Rom stieg er in den Pendolino, in Mailand in den Cisalpino. Gegen dreiundzwanzig Uhr raste der Zug durch die Feidauerkurve und fuhr kurz darauf im Hauptbahnhof ein.
Die Verbindungen waren gut, die Rückreise hatte keine zwölf Stunden gedauert. Mit jedem Kilometer wuchs seine Gewißheit, daß Jacqueline Barths Vermutung zutraf: Lucas hatte sich kaufen lassen.
Morgen würde es genau einen Monat her sein, daß er ins Krankenhaus gebracht wurde. Selbst wenn es eine Woche gedauert hatte, bis Lucas merkte, daß Fabio sich nicht mehr an die Sache erinnerte, hätte er vier Wochen Zeit gehabt, sie zu veröffentlichen. Morgen würde er Sarah anrufen und herausfinden, ob die Geschichte für Sonntag geplant war. Falls nicht, würde er Norina informieren.
Norina, da war er sich ganz sicher, würde Lucas das nie verzeihen. In ethischen Fragen war sie streng. Einen der größten Krache in ihrer Beziehung hatten sie gehabt, als Fabio einen leitenden Angestellten eines Treuhandbüros, das in eine Geldwäschergeschichte verwickelt war, nicht namentlich erwähnte, weil er der älteste Sohn eines Freundes seines Vaters war. »So fängt es an«, hatte sie immer wieder gesagt. »Genau so.«
Lucas und die Chefredaktion würde er erst informieren, wenn er mehr in der Hand hatte. Er wollte mit Bianca Monti, der Laborantin der LABAG, sprechen. Und der POLVOLAT würde er auch einen Besuch abstatten.
Als Fabio aus dem klimatisierten Cisalpino auf den Bahnsteig trat, empfing ihn die verbrauchte, von der Hitze eines langen Tages aufgeheizte Bahnhofsluft. Die zehn Minuten bis zur Sternstraße ging er zu Fuß. Als er die Tür zum Apartment aufschloß, klebte sein Polohemd am Körper.
Fabio öffnete das Fenster, um die abgestandene Luft des Zimmers durch die abgasgeschwängerte der Straße zu ersetzen. Er duschte und legte sich aufs Bett. Nach fünf Minuten merkte er, daß an Schlaf nicht zu denken war. Er zog sich an, ging hinunter und schlenderte ziellos durch das Viertel. In der eigenen Stadt machte es ihm nichts aus, für einen Touristen gehalten zu werden.
Weshalb er im Peaches landete, wußte er nicht. Vielleicht, weil es klimatisiert war.
Er setzte sich an die Bar.
»Hallo, Fabio, Gin Tonic?« fragte eine tiefdekolletierte Bardame. Er bestellte ein alkoholfreies Bier.
Im Lokal war es dunkel. Nur ein paar Blickfänge waren durch kleine Halogenspots herausgehoben: das Flaschenregal, der glitzernde Schriftzug ›Peaches‹ an der Rückwand der kleinen Bühne und ein paar künstlerische Aktfotos an den Wänden.
Überall im Raum glimmten schwache Lampen, immer wieder verdunkelt von den unruhigen Silhouetten an den Tischen. Die Buglichter chinesischer Dschunken bei unruhiger See.
Fabios Timing war perfekt: Kaum hatte er den ersten Schluck getrunken, ertönte ein Tusch und dann die pathetische Ankündigung: »Meine Damen und Herren: Samantha aus Guadeloupe!«
In einem silbern blitzenden Cocktailkleid betrat sie die Bühne, ohne ihre Schritte dem schleppenden Rhythmus des Reggaes anzupassen. Sie ließ ihren Blick verächtlich durch das Lokal schweifen. Plötzlich schob sie ihr Kleid bis über die Mitte der Schenkel, faßte mit beiden Händen darunter, schob ihr Höschen bis zu den Knien und ließ es dort aufgespannt. Sie richtete sich auf, blickte wieder in die Runde und schloß die Knie. Das Höschen fiel auf den Boden. Samantha hob es mit dem linken hochhackigen Pumps auf, ließ es einen Augenblick baumeln und kickte es in die Bühnenecke. Jetzt erst begann sie langsam und gelangweilt zu tanzen.
»Auch wieder einmal hier?« sagte eine Stimme neben ihm. Es war Fredi. Er nahm eine Schüssel Erdnüsse von der Bar, schüttete sich ein Häufchen in die rechte Hand und beförderte es in den Mund.
»War ich oft hier?«
»Ab und zu. Der beste Laden in der Art, wenn du mich fragst. Hast du so etwas schon mal gesehen?« Er deutete mit einer Handvoll Salznüssen auf die Bühne. »Weltklasse, zuerst das Höschen. Darauf mußt du erst einmal kommen.«
Die Barmaid stellte einen Drink neben Fredis Ellbogen. Er beachtete ihn nicht.
Samantha tanzte, als wäre sie allein auf der Welt.
»Du bist hier Stammgast«, stellte Fabio fest.
»Die Immobilie gehört uns.« Fabio sagte nichts.
»Hast du ein Problem damit? Das Apartmenthaus
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