Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein perfekter Freund

Ein perfekter Freund

Titel: Ein perfekter Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
Vom Netzwerk:
kühle Räume mit viel Chrom, Keramik und Edelstahl. Überall begleitete sie der gleiche Geruch. Wie nach saurer Milch oder frischem Käse.
    Fabio machte sich Notizen.
    In einem der Fabrikräume waren drei Männer dabei, eine Maschine zu reinigen. Sie trugen, wie alle, die hier arbeiteten, weiße Überkleider und Mützen. Aber darüber große, blaßgelbe Plastikschürzen. Sie spritzten das halb zerlegte und aufgeklappte Ungetüm mit Dampfreinigern ab.
    »Einer unserer Sprühbandtrockner!« Frau Frei schrie, um das Zischen und Singen des Dampfstrahls zu übertönen. »Wird für ein neues Produkt umgerüstet.«
    Fabio las in der Broschüre unter »Sprühbandtrockner« nach. Der Sprühbandtrockner ist eine Kreuzung zwischen einem Bandtrockner und einem Sprühturm. Mit ihm können Produkte getrocknet werden, die sich früher nur bedingt für die Trocknung eigneten. Zum Beispiel können damit auf Trägersubstanzen wie Milchbestandteile, Pflanzenproteine, Stärke etc. Fette aufgetragen werden. Pulver mit bis zu achtzig Prozent Fettgehalt sind damit herstellbar.
    Ein Mann in einem Labormantel kam herein. Er sprach mit einem der Arbeiter. Es sah aus, als ob er ihm Anweisungen erteilte. Offenbar eine höhere Charge. Er hielt ein Brett in der Armbeuge, auf das ein paar Formulare geklemmt waren. In seiner Brusttasche steckte eine Reihe Kugelschreiber.
    Er schaute zu Fabio und wandte sich an den Mann. Beide blickten jetzt zu ihm herüber. Der Mann mit den Kugelschreibern verließ den Raum.
    Im Gang konnte man sich wieder in normaler Lautstärke unterhalten. »Was heißt, es können Fette aufgetragen werden?« erkundigte sich Fabio.
    »Sie nehmen frische Magermilch oder eine andere Trägersubstanz und fügen ihr die gewünschten pflanzlichen oder tierischen Fette in der gewünschten Menge zu. Wie das genau geht, kann Ihnen anschließend Herr Lehmann, unser Betriebsingenieur, erklären. Der Herr, der vor uns rausging.«
    »Was wird auf der Maschine außer Fettpulver noch hergestellt?«
    »Alles: Käsepulver, Schokoladenpulver, Säuglingsnahrung, Pulver für die Kälbermast und so weiter.«
    Für Kälbermilch, das wußte Fabio aus seinen Recherchen, wurden manchmal tierische Fette verwendet, auch solche aus Rindertalg.
    Am Ende des Ganges tauchten zwei Männer in Weiß auf.
    »Und wenn Sie sagen«, fragte Fabio weiter, »die Maschine werde für ein neues Produkt umgerüstet, heißt das, sie hat zum Beispiel zwei Tage, sagen wir, Kälbermilch produziert und wird jetzt ein paar Tage, sagen wir, Säuglingsnahrung produzieren?«
    Sie nickte.
    Neurochirurgen hielten Seminare darüber, ob sie gebrauchtes Operationsbesteck als Sondermüll entsorgen sollten, weil Prionen gegen die üblichen Sterilisationsmethoden resistent sind. Und hier spritzte man die Geräte mit Dampf ab.
    »Oder, sagen wir, Schokoladenpulver?«
    Die beiden Männer standen jetzt vor ihnen. Sie machten keine Anstalten, aus dem Weg zu gehen. In ihren weißen Anzügen und Hüten sahen sie aus wie die Irrenhauswärter in alten Filmen.
    »Fertig jetzt«, sagte der Größere. Er hatte ein rundes rötliches porentief rasiertes Gesicht.
    Frau Frei war verwirrt. »Was ist los, Sami?«
    »Der Herr kommt jetzt mit uns. Nicht wahr, Herr Rossi?«
    »Herr Baldi«, korrigierte Frau Frei.
    »Jaja, Herr Baldi.« Er packte Fabio am Arm.
    »He!« rief Fabio und versuchte, die Hand abzuschütteln. Der Griff wurde härter. Der zweite Mann packte ihn jetzt am anderen Oberarm.
    So führten sie ihn an der verdatterten Frau Frei vorbei den ganzen Weg zurück durch den Gang, die Treppe hinunter, durch den Ausgang, über den Teerplatz bis zum Schlagbaum.
    Von dem Mann, den Frau Frei Sami nannte, ging ein fast greifbarer Haß aus. Fabio war sicher, daß er ihn bei der kleinsten Geste des Widerstands erschlagen würde.
    Der Pförtner erfaßte die Situation und öffnete unaufgefordert den Schlagbaum. Auf der Landstraße blieben sie stehen.
    »Kannst loslassen, Toni«, sagte Sami zu seinem Kollegen. Er sagte es sanft und freundlich, wie ein Mann, der sehr wohl zwischen wertvollen Menschen und Abschaum zu unterscheiden weiß. Er riß Fabio die Zellstoffhaube vom Kopf und half ihm grob aus dem Labormantel. Dann packte er mit jeder seiner roten Fäuste eine Handvoll von Fabios weißem Leinenhemd.
    »Du läßt dich hier nie mehr blicken. Nicht im Umkreis von zehn Kilometern. Ist das klar?«
    Fabio blieb nichts übrig, als zu nicken.
    »Solche wie dich«, preßte Sami heraus, »sollte man

Weitere Kostenlose Bücher