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Ein perfekter Freund

Ein perfekter Freund

Titel: Ein perfekter Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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gegangen?«
    »Darüber darf ich keine Auskunft geben.«
    »Dann verbinden Sie mich mit Sarah Mathey.«
    »Sie ist in einer Konferenz, ich darf nicht stören.«
    Es blieb Fabio nichts anderes übrig, als die Neue zu bitten, ihn mit seinem Nachfolger Berlauer zu verbinden.
    Er klang, als hätte man ihn bei etwas enorm Wichtigem gestört. Aber es gelang Fabio immerhin, aus ihm herauszuholen, wo Lucas war: im Europa.
    Das Hotel Europa war ein alter Kasten beim Bahnhof. Dank seiner Lage und zweier Restaurants, einem Bistro, einer Bar und einer großen Lobby war es ein beliebter Treffpunkt für Leute auf der Durchreise.
    Fabio ging als erstes in die Bar. Ein Pianist - derselbe seit Jahren - spielte sein Repertoire - dasselbe seit Jahren. Ein paar Geschäftsleute saßen an den Tischchen über Papiere und Agenden gebeugt. Lucas war nicht unter ihnen.
    Fabio ging durchs Bistro ins französische Restaurant. Auch dort war er nirgends zu sehen.
    In der Lobby war eine Reisegruppe angekommen. Sie drängte sich vor der Rezeption, zwei Bellboys versperrten den Weg mit Koffertrolleys. Hier, halb verdeckt von einem mit Kleidersäcken behängten rollenden Garderobenständer, sah er ihn. Er saß in einem Sessel und sprach mit einem blonden Mann, der Fabio den Rücken zuwandte.
    Er ging auf den Tisch zu. Der Mann drehte sich zur Seite und winkte einem Kellner.
    Fabio verließ die Lobby, ohne daß ihn die beiden sahen. Der Mann bei Lucas war der falsche Dr. Mark.

19
    As Fabio aus dem Hotel trat, hörte er ein fernes Donnergrollen. Die Kreuzung vor dem Bahnhof lag im grellen Sonnenlicht. Aber über den Hügeln am Stadtrand war der Himmel schwarz.
    Fabio hatte die Fäuste in den Hosentaschen vergraben und steuerte auf die Altstadt zu. Er hätte ebensogut in die entgegengesetzte Richtung gehen können. Er wollte nirgendwohin. Nur sich bewegen, den Schock aus den Gliedern bekommen.
    Wieder war es ihm passiert, daß er mit der Gewißheit schlechter leben konnte als mit dem Verdacht.
    Lucas steckte also unter einer Decke mit dem Mann, der sich als Dr. Mark ausgegeben hatte, um Fabio von seiner Fährte abzubringen. Lucas hatte konspirative Treffen mit den Leuten, die verhindern wollten, daß die Öffentlichkeit von Dr. Barths Entdeckung erfuhr.
    Lucas, der seine Daten gelöscht hatte.
    Lucas, der ihm Barths Beweise geklaut hatte.
    Lucas, der verhinderte, daß Barths Witwe mit ihm sprach. Lucas, der ihn im Gourrama niedergeschlagen hatte. Lucas, der die Geschichte nicht veröffentlichte.
    Lucas, der ihn mit Marlen zusammengebracht hatte. Lucas, der ihm Norina weggenommen hatte.
    Sein guter Freund Lucas.
    Der Himmel über der Altstadt verdunkelte sich rasch wie ein Glas Wasser, in das ein Tropfen Tusche gefallen war. Nur ein kleiner Fetzen blauer Himmel war noch zu sehen. Durch das Wolkenloch drangen ein paar Sonnenstrahlen und tauchten die Szenerie in ein unwirkliches Licht.
    Die Gasse war plötzlich wie leer gefegt. Es war still geworden, als hielte die Welt den Atem an.
    Fabios Schritte auf dem Kopfsteinpflaster hallten von den Fassaden der alten Häuser wider.
    Die erste Bewegung war eine junge Frau, die aus einer Boutique eilte und die Kleider abnahm, die vor dem Schaufenster an einem Ständer hingen.
    Sie brachte einen ersten Armvoll in den Laden.
    Ein Windstoß fegte durch die Gasse und ließ die Sommerfähnchen an ihren Bügeln tanzen. Schwere Tropfen klatschten in den Staub des aufgeheizten Pflasters. Ein Blitz entlud sich über den steilen Dächern.
    Fabio rannte die paar Schritte zum Garderobenständer und half, die restlichen Kleider ins Trockene zu bringen. Dann stand er neben der lachenden, keuchenden Verkäuferin unter der Ladentür und schaute zu, wie die Sintflut über die Altstadt hereinbrach. Braune Bäche wälzten sich durch die Rinnsteine und überfluteten die Gullys.
    Die Verkäuferin war jetzt still geworden. Sie hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Vielleicht, weil sie bemerkt hatte, daß die Nässe ihr Kleid durchsichtig machte.
    Der Regen fiel wie ein letzter Vorhang.
    Fabio legte den Arm um die Schulter des Mädchens. Sie schaute verwundert zu ihm auf. »Darf ich? Es ist so feierlich.«
    Sie nickte. Nach einer Weile legte sie ihren Arm um seine Hüfte. So standen sie und warteten, bis sich das Naturereignis in einen normalen Sommerregen verwandelt hatte.
    Als Fabio im Sirenengeheul der ersten Feuerwehren an den überschwemmten Kellern vorbei zur Tramstation ging, fiel ihm ein, daß er nicht einmal nach ihrem

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