Ein perfekter Freund
Aushalten.«
Fabio konnte es sich nicht verkneifen: »Du scheinst es aber doch ganz gut ausgehalten zu haben.«
Norina blieb ernst. »Erst als er mit mir ins Bett ging. Dann war er kein perfekter Freund mehr.«
Fabio lachte auf. »Sag bloß, du hast ihn verführt, damit ich einen perfekten Freund verliere.«
Sie sah aus, als hätte sie diese Möglichkeit auch schon in Erwägung gezogen. »Vielleicht unbewußt.«
Sie schob die Papierfetzchen zu einem Halbkreis zusammen.
»Selbst wenn das alles stimmen würde, was du mir da erzählst…«
»Tut es«, warf Fabio dazwischen.
»… selbst dann würde er an deiner Stelle mir gegenüber kein Wort davon erwähnen.«
»Und in Kauf nehmen, daß du mit jemandem zusammenlebst, der hinter deinem Rücken gegen alle deine Prinzipien verstößt.«
»Mach dir um mich keine Sorgen.«
»Tu ich aber.«
»Früher wäre es mir lieber gewesen.« Norina besserte den Halbkreis aus mit einem ihrer rotlackierten Nägel.
Die Serviertochter warf eine Münze in den Musikautomaten und drückte ein paar Tastenfolgen.
Fabio deutete auf seinen Kopf. »Hier drin ist das alles nicht passiert, und ich würde alles darum geben, wenn es das auch in Wirklichkeit nicht wäre.«
Norina verwischte den Halbkreis und versuchte sich an einer Geraden.
Fabio faßte in die Tasche und zog die Korallenkette heraus. Er legte sie auf den Tisch, parallel zur Linie aus Papierfetzchen. Norina schaute auf.
»Korallen. Aus Amalfi.«
Sie bewunderte sie, ohne sie zu berühren. »Schön.«
»Gibt es nicht mehr, dieses Rot.«
»Wie Chinalack.«
»Zieh sie an.«
Norina schüttelte den Kopf. Fabio lächelte. »Unverbindlich.«
Sie hob die Kette vom Tisch, nahm Fabios Hand, ließ sie hineingleiten und schloß seine Faust, so weit es ging. Sie schaute ihm in die Augen und schüttelte den Kopf.
»Wegen Lucas?«
»Ich bin nicht mehr mit Lucas zusammen.«
»Ach. Seit wann denn das?«
»Seit gestern. Seit gestern nacht. Seit heute früh. Egal, wir haben uns getrennt.«
Fabio schaffte es, nicht breit zu grinsen oder ihr um den Hals zu fallen oder sonst unangemessen zu reagieren. Er konzentrierte sich auf das Gewicht der kühlen Korallen in seiner Hand und sagte nichts.
»Deshalb war ich einverstanden, dich zu treffen. Ich wollte, daß du es von mir erfährst. Auch, daß es nichts mit dir zu tun hat.«
»Wie meinst du das?«
»Der Grund, daß ich nicht mehr mit dir zusammen bin, ist nicht Lucas. Der Grund bist du.«
Am nächsten Tag war Lucas Jäger tot.
Es hatte die ganze Nacht und den ganzen Vormittag geregnet, und es sah auch jetzt nicht aus, als ob es bald aufhören wollte. Fabio hatte den Vormittag damit zugebracht, zuerst seine Muskeln und dann sein Gedächtnis zu trainieren. Zum Mittagessen hatte er sich - im Bertini, wo sonst? - mit Fredi getroffen. Er hatte das Bedürfnis, mit jemandem über Norinas Trennung von Lucas zu reden. Fredi mit seiner pragmatischen Sicht der Dinge schien ihm dafür der geeignete Gesprächspartner. Bei der Zabaglione - Fabio nahm auch eine, sein Trainer Jay hatte ihn am Morgen gewogen und für zu leicht befunden - kam er auf Fredis Geschäfte zu sprechen.
»Die Tänzerinnen vom Peaches müssen im Apartmenthaus Florida wohnen. Für zweitausendfünfhundert im Monat.«
»Möglich. Die Details regelt unsere Verwaltung.«
»Zweitausendfünfhundert. Inklusive Bettwäsche und Zimmerreinigung.«
»Mach dir keine Sorgen«, grinste Fredi, »du wohnst gratis.«
»Das ist Wucher.«
»Ach was, das holen die in zwei, drei guten Abenden rein.«
»Im Peaches?«
»Im Peaches und danach. Unter fünfhundert machen die es nicht. Nicht diese Mädchen. Plus die Gage, plus die Champagnerprozente. Sollen wir da den Jugendherbergstarif verlangen?«
Das Signal von Fabios Handy ertönte. Es war Sarah Mathey.
»Fabio«, sagte sie mit seltsamer Stimme, »Lucas ist tot.«
»Was?«
»Lucas ist tot.«
»Wie?«
»Vor einer Stunde kam der Anruf. Sie haben ihn aus dem Kraftwerk gefischt.«
»Weiß es Norina?«
»Sie ist gerade bei der Polizei. Ich fahre gleich hin. Bist du zu erreichen, falls man dich braucht?«
»Natürlich. Soll ich auch kommen?«
»Nein. Nur falls man dich braucht. Hörst du? Komm nicht, ohne daß ich dich anrufe.«
Sie legte auf.
Fabio legte sein Handy auf den Tisch.
»Ißt du das nicht?« Fredi zeigte auf Fabios Zabaglione. Fabio schüttelte den Kopf. Fredi zog das Glas zu sich herüber und begann zu löffeln.
»Was ist los?« erkundigte er sich zwischen zwei
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