Ein perfektes Leben
sind.«
»In welche Hotels?«
»Können Sie sich ja vorstellen. Ins ›Riviera‹, ins ›Mar Azul‹, in solche Hotels eben.«
»Und hat er dir erzählt, wo er arbeitet?«
»Im MINREX, kann das sein? Oder im Ministerium für Außenhandel, irgend so was, wissen Sie?«
»Nein, weiß ich nicht. Wer das weiß, bist du.«
»Gut, also ich meine, im MINREX.«
»Hatte er viel Geld bei sich?«
»Womit, glauben Sie, kann man im ›Riviera‹ ein Zimmer mieten?«
»Werd nicht frech, Zoila. Antworte auf meine Frage.«
»Natürlich hatte er viel Geld bei sich. Aber wie gesagt, wir sind nur ein paar Mal zusammen gewesen.«
»Und seitdem hast du ihn nicht mehr gesehen?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Weil er ins Ausland reisen wollte. Für ein ganzes Jahr, nach Kanada.«
»Wann war das?«
»Im Oktober, hab ich doch schon gesagt.«
»Hat er dir Geschenke gemacht?«
»Kleinigkeiten.«
»Was sind für dich Kleinigkeiten?«
»Parfum, Ohrringe, ein Kleid, solche Sachen.«
»Von draußen?«
»Ja, von draußen.«
»Und hatte er auch Dollars?«
»Ich hab nie welche gesehen.«
»Wie habt ihr euch verabredet?«
»Na ja, er war immer sehr beschäftigt, und wenn er Zeit hatte, hat er mich zu Hause angerufen. Wenn ich nichts vorhatte, hat er mich abgeholt. Im Wagen, klar.«
»Was für eine Marke?«
»Es waren zwei. Meistens mit einem neueren, einem Lada mit privatem Nummernschild. Und sonst mit einem anderen Lada, ich glaube vom Staat. Mit dunklen Scheiben.«
»Zoila, ich möchte, dass du dir genau überlegst, was du mir jetzt sagst. Es ist besser für dich und deinen Freund René. Woher, glaubst du, hatte er das viele Geld?«
Zoila Amarán Izquierdo legte den Kopf ein wenig zur Seite und sah den Teniente an, so als wollte sie ihm sagen: Was weiß denn ich. Dann sah sie wieder den Sargento an und antwortete ihm: »Schauen Sie, Genosse, auf der Straße fragt man nicht danach. Ich bin keine Hure, ich schlafe mit keinem für Geld. Aber wenn einer kommt und dich zum Essen ins ›L’Aiglon‹ einlädt und danach auf ein paar Bier am Swimmingpool und dann zum Abtanzen in ein Cabaret und zum Schluss in ein Hotel mit Blick auf den Malecón, dann fragst du nichts mehr. Du genießt, Genosse. Die Situation ist nicht die beste, und man ist nur einmal jung, nicht wahr?«
Natürlich ist man nur einmal jung, dachte er. Den Beweis sah er vor sich. Eine träge, sinnliche Stimme und wolkenlos-himmelblaue Augen, das waren die einzigen Attribute des legendären Miki Cara de Jeva, an die er sich erinnern konnte. Miki hatte in der Oberstufe von La Víbora einen Frauenrekord aufgestellt: achtundzwanzig, alle mit Rumknutschen und einige mit weiter gehenden Aktivitäten. Jetzt hatte er nicht mehr genug Haare auf dem Kopf für einen wuschligen Afrolook und noch zu viele für die endgültige Bankrotterklärung eines resignierten Glatzkopfes. Der Bart glich einer Explosion drahtiger, rötlich-graumelierter Haare, wie bei dem letzten Wikinger aus einem Comic. Und das hübsche Mädchengesicht von früher sah nun aus wie eine schlecht durchgeknetete Teigmasse, unregelmäßig, zerfurcht, eine Berg- und Talfahrt über ungerecht verteiltes Fett, Zeichen frühzeitigen Alterns. Wenn er lachte, entblößte er das Trauerspiel seiner bräunlichen Zähne, und wenn er aus vollem Halse lachte, schenkte ihm seine Kettenraucherlunge zwei Minuten Husten-Auszeit. Miki ist die personifizierte Anklage, dachte Mario Conde, er legt Zeugnis davon ab, dass wir bald vierzig sind und keine knackigen Typen mehr, weder ausdauernd noch in der Lage, jeden Morgen mit neuem Schwung zu beginnen. Und dass wir allen Grund haben, erschöpft und sentimental zu sein.
»Das ist eine Katastrophe, Conde. Mariíta hat mich vor einem Monat sitzen lassen. Guck mal, wie das hier aussieht, wie im Schweinestall!« Er breitete die Arme aus, um das ganze Ausmaß des überbordenden Chaos zu umfassen. Dann nahm er zwei Gläser, die von mehreren Schmutzschichten verschiedenster Herkunft überzogen waren, und stellte sie gleich wieder hin. Nachdem er die aushäusige Frau ausgiebig verwünscht hatte, ging er zum Plattenspieler. Ohne zu überlegen, nahm er die oberste LP vom Stapel und legte sie auf den Plattenteller. »Hör dir das an«, sagte er, »zum Kaputtgehen! The Best of the Mamas and the Papas … Ist das gerecht, dass die so schön singen können? … Mit Mariíta ist das jetzt meine fünfte Scheidung, insgesamt drei Kinder laufen von mir rum. Und mir gehts dabei immer dreckiger,
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