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Ein perfektes Leben

Ein perfektes Leben

Titel: Ein perfektes Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonardo Padura
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die teilen sich mein Geld auf, und ich hab nicht mal genug für Zigaretten. Apropos, gib mir mal eine. Meinst du, unter solchen Umständen kann einer schreiben? Scheiße, da vergeht einem die Lust am Schreiben und sogar am Leben. Na ja, man darf sich nur nicht klein kriegen lassen. Aber manchmal kann man einfach nicht mehr und lässt sich doch kleinkriegen, wenn auch nur ’n bisschen. Ist nicht leicht, Conde, ist nicht leicht … Hör dir das an … California Dreaming … Da war ich in der Sekundarstufe. Lange her, was? Wenn ich das Lied hör, krieg ich sogar Lust, noch mal zu heiraten, ehrlich. Und du, hast du endlich angefangen zu schreiben?«
    Mario räumte eine Hose und zwei Hemden von einem Sessel, damit er sich hinsetzen konnte. Es hatte ihn immer gewundert, dass Miki außer dem Hinkefuß der einzige Schriftsteller war, den die Literaturwerkstatt der Oberstufe hervorgebracht hatte. Dabei war das Mädchengesicht nur hingegangen, um Frauen aufzureißen. Irgendwann jedoch hatte er angefangen, sich für Literatur zu begeistern, und sich vorgenommen, Schriftsteller zu werden, was er dann ja auch geschafft hatte. Zwei Bände mit Erzählungen und ein Roman wiesen ihn als Vielschreiber aus, allerdings auf einem Terrain, das El Conde niemals betreten würde, selbst wenn er die Zeit und das Talent gehabt hätte, die »Phase der weißen Blätter« zu überwinden. Miki schrieb über die Alphabetisierung, die ersten Jahre der Revolution und den Klassenkampf, während Mario lieber eine Geschichte über das Untergründige geschrieben hätte. Über etwas sehr Untergründiges und sehr Ergreifendes. Denn obwohl er nicht viel kennen gelernt hatte, was untergründig und gleichzeitig ergreifend war, merkte er, dass er es in der einen oder anderen Weise immer dringender brauchte.
    »Nein, ich schreibe nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Weiß nicht. Manchmal versuch ichs, aber es gelingt mir einfach nicht.«
    »Das kommt noch, oder?«
    »Ja, ich glaube, ja.«
    »Gib mir noch eine. Ich würde dir gerne Kaffee anbieten, aber ich hab keinen. Bei mir herrscht Ebbe. Nicht mal für Zigaretten reichts, Alter … Und, was ist, gibts immer noch nichts Neues von Rafael?«
    »Nein. Er ist wie vom Erdboden verschluckt«, sagte Mario Conde und versuchte es sich im Sessel bequem zu machen, trotz der Sprungfeder, die ständig in seinen Hintern piekte.
    »Als Carlos mir erzählt hat, dass Rafael verschwunden ist und du ihn suchen musst, hab ich mich beinahe bepisst vor Lachen. Spaßig, was? Nach allem, was passiert ist … «
    »Ich weiß nicht, mir macht es nicht sonderlich viel Spaß.«
    Miki, das Mädchengesicht, das keins mehr war, trat die Kippe auf dem Boden aus und hustete eine Runde.
    »Rafael und ich hatten mal einen Streit, das ist jetzt fünf oder sechs Jahre her. Das wusstest du nicht, was? Nein, das wusste keiner. Wenn ich die Leute aus der Oberstufe treffe, fragen die mich immer nach ihm. Die meinen, wir wären noch dicke Freunde, wie früher. Es kotzt mich an, jedes Mal zu erzählen, dass alles in Butter ist. Man kann doch nicht sein ganzes Leben lang erzählen, dass alles in Butter ist … Und du hast keinen blassen Schimmer, was mit Rafael passiert sein kann? Glaubst du, der läuft mit ’ner Frau rum und erscheint irgendwann wieder auf der Bildfläche und tut so, als wär nichts?«
    »Keine Ahnung, aber ich kanns mir nicht vorstellen.«
    »Was hast du, Alter? Bist du deprimiert? Also, bei Rafael weiß ich nicht so genau. Manchmal mein ich, ich hätte ihn noch gern, schließlich waren wir früher mal wie Brüder. Und manchmal tut er mir ein bisschen Leid, nur ein bisschen. Aber im Allgemeinen ist er mir scheißegal. Dass er mir wegen dieser Überprüfung durch die Partei so die Hölle heiß gemacht hat, das hab ich jedenfalls nicht verdient.«
    »Was für eine Überprüfung?«
    »Siehst du, deswegen hab ich Carlos gesagt, du solltest noch heute bei mir vorbeikommen. Hör zu, Conde. Rafael sitzt ganz tief in der Scheiße. Ich weiß nicht, ob dir das, was ich dir jetzt erzähle, irgendwie weiterhilft. Vielleicht ja, das musst du nachher selbst entscheiden. Ich erzähls dir nur, weil du es bist, der in dem Fall ermittelt. Bei jedem andern würd ich die Klappe halten. Also, hör zu. Als sein Aufnahmeantrag für die Partei geprüft wurde, hat Rafael mich als Referenz angegeben. Die beiden, die seinen Antrag prüfen mussten, sind also zu mir gekommen. Damals war ich schon nicht mehr in der Parteijugend, aber sie meinten, das wär egal. Ob

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