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Ein perfektes Leben

Ein perfektes Leben

Titel: Ein perfektes Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonardo Padura
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war der Gipfel! Sei froh, dass du das nicht gesehen hast. Schlagen fünfzehn hits im ersten Spiel und gewinnen neun zu null, aber im zweiten, wos wirklich drauf ankam, machen sie neun Mal null runs. Verdammte Scheiße, Mann, ist so was möglich? Und unsereiner hofft sein Leben lang, dass sie einmal eine Meisterschaft gewinnen, diese Pfeifen, aber wenns drauf ankommt, lassen die sich flachlegen wie Nutten! Aber das geschieht mir recht, ich bin eben zu blöd! Ab jetzt guck ich mir kein Scheißspiel mehr an … «
    »Du willst also keinen Rum, nein?«
    »Moment, Conde, Moment! Gib schon her.« Und als koste es ihn Überwindung, nahm er das Glas, das Mario neben den Aschenbecher gestellt hatte.
    »Sag mal, warum hast du eigentlich Rum gekauft?«
    »Hör mal, Conde, ich bin wirklich geladen. Trink jetzt den Rum oder verpiss dich und lass dich nie wieder hier blicken!«
    »Ich trink ja, aber lass uns das Thema wechseln. Schließlich bin ich nicht der Manager der Industriales, klar?«
    »Klar.«
    Der Dünne goss sich noch ein Glas ein. Sein Atem ging nun wieder normal. Sah so aus, als wäre er entschlossen, den Waffenstillstand einzuhalten. »Du, wie siehts mit Rafael aus?«
    »Langsam besser. Wir haben eine Spur.«
    »Warst du bei Miki?«
    »Komm direkt von ihm. Das war komisch, anscheinend brauchte er einen Beichtvater und keinen Polizisten.«
    »Und, hast du ihm die Absolution erteilt?«
    »Hab ihn zur Hölle geschickt mitsamt seinen drei Büchern. Weil er ein schlechter Schriftsteller ist und ein Lügner. Gib mir noch ’n Schluck, komm.«
    »Und die Spur?«
    »Rafael hat viel Geld mit sich rumgeschleppt, möglicherweise hatte er Probleme mit den Finanzen des Unternehmens. Weißt du, was das Arschloch macht, wenn er kleine Mädchen aufreißt? Gibt sich als sein Sekretär aus! Kannst du mal sehen, wie schlau der ist.«
    »Das würde doch jeder machen, du«, erwiderte der Dünne und trank einen gierigen Schluck. Der Teniente tat es ihm gleich. Er merkte kaum, dass es ein exzellenter Rum war. »Du, hast du schon gegessen?«
    »Nein, hab keinen Hunger. Ich schieß mich lieber mit Rum ab und geh schlafen.«
    »Warst du noch mal bei der Schwester?«
    »Ja, heute Mittag. Nichts Neues. Hab zwei Whisky mit ihr getrunken … «
    »Du lebst nicht schlecht, he?«
    Mario trank lieber noch ein Glas Rum, als einen neuen Streit mit Carlos zu beginnen. Genau das will der jetzt nämlich, er ist sauer wegen dem Baseballspiel, dachte er. Er zog die Schuhe aus. Nun erst fühlte er sich so richtig wohl hier im Zimmer, barfuß, hingelümmelt in seinem Sessel. Jose saß im Wohnraum vor dem Fernseher. Plötzlich dachte er an The Mamas and the Papas und bekam Lust, Musik zu hören.
    »Ich leg mal was auf«, sagte er und ging zu dem Möbel, auf dem der Kassettenrecorder stand. Er öffnete eine Schublade und sah die nummerierten und sortierten Kassetten durch. Alles von den Beatles; fast alles von Chicago und Blood, Sweat and Tears; einiges von Manuel Serrat, Silvio Rodríguez und Pablo Milanés; eine Kassette von Patxy Andión, verschiedene Songs von Los Brincos, Juan y Junior, Formula V, Stevie Wonder und Rubén Blades. Was für ein Geschmackschaos, dachte er, scheiß was drauf, und er entschied sich für eine englischsprachige Kassette von Rubén Blades, die er selbst dem Dünnen geschenkt hatte, schob sie in den Recorder und drückte auf die Taste. Dann trank er einen Riesenschluck und goss sich und dem Dünnen nach. Ihm tat weder der Rücken weh noch der von Mikis Sessel malträtierte Hintern.
    Die Kassette gefiel ihm, und er wusste, dass sie auch dem Dünnen gefiel. Als sie die Ballade The Letter mitsangen, in dem es um den Brief eines Mannes an seinen Freund ging, der weiß, dass er sterben muss, fühlten sie sich trotz allem unbeschwert. Durstig wie Pilger auf einer Wallfahrt tranken sie weiter. So langsam konnte man den Flaschenboden sehen. Der Dünne rollte zum Büfett und hielt eine halb volle Flasche hoch, die vom Vorabend übrig geblieben war. Sie nickten sich zu. Ja, ein weiterer halber Liter Rum würde ihnen gut tun, sie konnten ihn vertragen und würden alles austrinken.
    »Der Rum ist gut, was?« sagte der Dünne grinsend.
    »Jetzt redest du schon denselben Stuss wie alle Besoffenen.«
    »Was hab ich denn gesagt?«
    »Nichts, nur dass der Rum gut ist und solchen Blödsinn. Natürlich ist der Rum gut, Mann.«
    »Und das nennst du ›denselben Stuss wie alle Besoffenen‹? In diesem Hause kann man auch gar nichts mehr sagen … «,

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