Ein perfektes Leben
Situationen heraufzubeschwören und auf die Spitze zu treiben. Seine kurze Karriere war zu häufig von Erfolgen begleitet gewesen, und der Teniente respektierte diesen dünnen und schlaksigen Jungen, ohne jedoch alle seine Theorien zu teilen. El Conde setzte auf Polizeiroutine, um das unvermeidliche Haar in der Suppe zu finden. Viel Routine und gelegentliche Geistesblitze, die ihm sein Unbewusstes ungefragt eingab, das waren seine zwei bevorzugten Waffen. Die dritte bestand darin, die Leute besser kennen zu lernen. Wenn du weißt, wie jemand ist, dann weißt du, wozu er fähig ist und was er eigentlich nie tun sollte, sagte er immer zu Manolo, aber manchmal tun die Leute genau das, was sie eigentlich nie tun sollten. Und weiter sagte er zu ihm: »Solange ich bei der Polizei bin, werde ich weder aufhören können zu rauchen noch zu glauben, dass ich irgendwann einmal einen sehr untergründigen, sehr sentimentalen und sehr zärtlichen Roman schreiben werde. Und genauso werde ich bei den Ermittlungen stets die Routine bevorzugen. Wenn ich kein Polizist mehr sein und meinen Roman schreiben werde, möchte ich gerne mit Verrückten arbeiten. Verrückte faszinieren mich.«
Aus reiner Routine und um zu überprüfen, ob ihm tatsächlich jeder Charakterzug von Rafael Morín bekannt war, beschloss er, Salvador González zu befragen, den Generalsekretär des Unternehmens, einen kompetenten Kader, den die Partei keine drei Monate zuvor hierher geschickt hatte.
»Ich weiß nicht, inwieweit ich Ihnen nützlich sein kann«, sagte Salvador. Die angebotene Zigarette lehnte er ab, dafür stopfte er sich eine Pfeife und nahm die angebotene Feuerzeugflamme dankend an. Er war über fünfzig und sah sympathisch und überarbeitet aus. »Ich kenne den Genossen Morín kaum und habe von ihm als Parteimitglied und als Privatperson lediglich Eindrücke. Aber ich möchte Sie nicht durch Eindrücke beeindrucken.«
»Teilen Sie uns doch einfach einen Ihrer Eindrücke mit«, schlug der Teniente vor.
»Nun, auf der Bilanzversammlung hatte ich einen ausgezeichneten Eindruck von ihm, wirklich. Sein Bericht war einer der besten, die ich jemals gehört habe. Ich glaube, er ist ein Mann, der den Geist dieser Zeit verstanden hat. Er stellt an seine Mitarbeiter hohe Anforderungen und achtet auf Qualität. Das ist wichtig, denn dieses Unternehmen ist für die Entwicklung des Landes von großer Bedeutung. Auf der Versammlung übte Morín Selbstkritik wegen seiner zu zentralistischen Art, das Unternehmen zu führen, und bat die Genossen um Unterstützung bei der notwendigen Aufteilung von Verantwortungs- und Aufgabenbereichen.«
»Einen weiteren Eindruck?«
Der Generalsekretär lächelte. »Auch wenn es nichts als ein Eindruck ist?«
»Auch dann.«
»Na schön, wenn Sie darauf bestehen. Aber vergessen Sie nicht, es ist nur ein Eindruck … Sie kennen die Bedeutung des Reisens für jeden von uns. Nicht nur in diesem Unternehmen, sondern im Land überhaupt. Wer reist, fühlt sich herausgehoben, auserwählt, so als würde er die Schallmauer durchbrechen … Mein Eindruck ist, dass der Genosse Morín versucht, mit den Reisen Sympathien für sich zu gewinnen. Es ist ein Eindruck, den ich aus dem gewinne, was ich gesehen habe und was wir miteinander gesprochen haben.«
»Was haben Sie miteinander gesprochen? Und was haben Sie gesehen?«
»Nichts weiter, nur dass er mich bei der Vorbereitung der Versammlung gefragt hat, ob ich gerne reisen würde.«
»Und was weiter?«
»Ich habe ihm erzählt, dass ich als Junge einen Comic von Donald Duck gelesen habe, in dem Donald mit seinen drei Neffen zum Goldsuchen nach Alaska geht. Damals war ich lange neidisch auf diese kleinen Enten, die einen Onkel hatten, der sie nach Alaska mitnahm. Inzwischen bin ich erwachsen geworden und war weder in Alaska noch sonst wo, und ich habe beschlossen, dass Alaska, entschuldigen Sie den Ausdruck, mir am Arsch vorbeigeht.«
»Haben Sie noch weitere Eindrücke gewonnen?«
»Darüber möchte ich lieber nicht sprechen, verstehen Sie?«
»Warum nicht?«
»Weil ich zurzeit kein gewöhnlicher Arbeiter bin, nicht mal ein gewöhnliches Parteimitglied. Ich bin der Generalsekretär dieses Unternehmens, und meine Eindrücke können meiner gegenwärtigen Position zugeschrieben werden, nicht meiner Person.«
»Und wenn ich zwischen der Privatperson und dem Parteisekretär differenziere? Und wenn auch Sie für einen Moment Ihre Position vergessen?«
»Das ist für uns beide sehr schwer,
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