Ein perfektes Leben
Teniente. Aber da Sie darauf bestehen, will ich Ihnen etwas erzählen. Hoffentlich mach ich da keinen Fehler«, fügte Salvador González hinzu. Er ließ eine lange Pause entstehen, während der er die Pfeife in einem Aschenbecher ausklopfte. Er möchte nicht damit rausrücken, dachte El Conde, gab aber die Hoffnung nicht auf. »Es heißt, in einem Mann der Vorsicht stecken zwei. Rafael Morín war für mich immer ein Mann der Vorsicht par excellence. Aber von den beiden Männern, die in einem vorsichtigen stecken, ist einer unvorsichtig. Und das ist der, der zurzeit vermisst wird.«
»Warum glauben Sie das?«
»Weil ich mir fast sicher bin, dass Ihre Kollegin, die chinesische Mulattin, irgendetwas finden wird. Das liegt in der Luft. Wie gesagt, es ist nichts weiter als ein Eindruck, ich kann mich irren, nicht wahr? Ich habe mich bereits bei anderen Genossen geirrt. Hoffen wir, dass ich mich diesmal ebenfalls irre, aber falls nicht, dann habe ich mich lediglich als Privatperson geirrt, verstehen Sie?«
»Reine Routine, ja?«
»Verdammte Warterei«, knurrte Manolo. Er lehnte am Kofferraum des Wagens. Es war kurz nach zwölf, und die mittägliche Sonne versuchte die Kälte zu vertreiben. Ihre wärmenden Strahlen waren angenehm, man konnte sogar die Jacke ausziehen und die Sonnenbrille aufsetzen. Und man hatte Lust zu sagen: »Lass uns Maciques noch einmal bearbeiten, Conde, aber nicht hier. In der Zentrale. Los, komm.«
El Conde rieb seine Sonnenbrille mit einem Hemdzipfel sauber, hielt sie gegen das Licht und steckte sie wieder in die Brusttasche. Er knöpfte die Manschetten auf und krempelte sich die Ärmel bis zu den Ellbogen hoch, zweimal, dreimal, asymmetrisch und unordentlich.
»Wir warten. Es ist erst zwölf. Patricia hat drei gesagt, und der Dicke wird gerade erst angefangen haben. Ich glaube, wir haben uns ein Mittagessen verdient, oder? Heute weiß ich nämlich wirklich nicht, wann wir Schluss machen können.«
Manolo strich sich über den Bauch, dann rieb er sich die Hände. Die Sonne mühte sich vergeblich ab, vom Meer wehte eine kräftige, salzige und kühle Brise heran, die der schüchternen Wärme den Garaus machte.
»Was meinst du, Conde, kann ich auf einen Sprung bei Vilma vorbeigehen?«, fragte der Sargento, ohne seinen Kollegen direkt anzusehen.
»Hat sie dich nun rausgeschmissen, oder hat sie nicht?«
»Nein, Mann, sie ist nur so furchtbar eifersüchtig.«
»Wie die Geschäfte, bei denen es um sehr viel Geld geht.«
»So ungefähr.«
»Aber du magst sie, stimmts?«
Manolo versuchte einen von den Autos platt gefahrenen Kronkorken wegzukicken. Wieder rieb er sich die Hände. »Ich glaube, ja, Kollege. Die Frau macht mich fertig im Bett.«
»Pass auf, Kleiner«, sagte Mario grinsend zu ihm. »Mich hat so eine mal fast umgebracht. Und das Schlimmste ist, hinterher bist du mit keiner mehr zufrieden. Aber wer gerne im Bett sterben will … Los, komm, fahr mich zum Dünnen, und um zwei, Viertel nach zwei holst du mich wieder ab. Reicht dir das?«
»Ich bin schneller als Fangio, was glaubst du denn?«, fragte Manolo zurück und öffnete die Wagentür.
Während der Fahrt vermied Mario Conde lieber jedes Gespräch. Mit achtzig Sachen durch Havanna zu rasen kam ihm wie ein Irrsinn vor. Es war besser, Manolo konzentrierte sich nur auf das Lenkrad und auf Vilmas stürmische Liebe. So hatten sie gute Chancen, lebend ans Ziel zu kommen. Leider konnte der Teniente bei Manolos Fahrstil keinen klaren Gedanken fassen, was ihn am Ende jedoch freute. Es gab im Moment nicht viel, worüber er nachdenken konnte. Vor allem musste er jetzt warten, später vielleicht würde er sich wieder das Hirn zermartern dürfen.
»Also, um zwei, hier«, erinnerte er Manolo, als er vor dem Haus des Dünnen ausstieg. Fast hätte er sich bekreuzigt, als er sah, wie der Sargento um die Ecke fuhr. Zwei Brüste machen besoffener als Rum, dachte er, während er durch den kleinen Vorgarten ging, den Josefina pflegte wie alles, was ihr in die Finger kam und ihrer Obhut anvertraut wurde. Die Rosen, die Sonnenblumen, die roten mantos, die picuala und die verästelten Chinakakteen vermischten ihre Farben und Gerüche auf einem sauberen, dunkelroten Boden. Es kam einer Todsünde gleich, hier eine Kippe wegzuwerfen, und das galt auch für den dünnen Carlos. Die Haustür stand wie immer offen. Mario stieg der Duft einer ganz besonderen Knoblauchsoße in die Nase: In einer Pfanne brutzelten Knoblauchzehen, der Saft von bitteren
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