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Ein perfektes Leben

Ein perfektes Leben

Titel: Ein perfektes Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonardo Padura
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Patricia gesehen?«
    »Nein, aber sie hat eine Nachricht hinterlassen. Sie ist schon in der Firma. Gestern hat sie bis acht gearbeitet, anscheinend hat sie da geschlafen.«
    »Hast du dir schon die Berichte angesehen?«
    »Nein, noch nicht. Hab mich direkt auf diesen Bericht hier in der Zeitung gestürzt, über Aids. Wirklich ’n Hammer, Conde, nicht mal in Ruhe pimpern kann man mehr.«
    Wieder lächelte El Conde. Er hätte stundenlang so weiterlächeln können.
    »Na, dann lies dir das mal gut durch«, riet er Manolo. »Ich werd mir die Berichte vornehmen und danach diesen Maciques.«
    »Danke, lieber Chef. Möge Gott, dass Ihr stets so gut gelaunt aufwacht!«, entgegnete der Sargento und legte die Füße wieder auf den Tisch.
    Der Teniente nahm auch jetzt nicht den Aufzug, und während er die Treppe hinunterlief, dachte er, dass er in Hochform war und zum Schreiben aufgelegt. Er würde eine sehr untergründige Geschichte über ein Dreiecksverhältnis schreiben, in der die Figuren mit wechselnden Rollen eine Geschichte erleben, die sie früher schon einmal erlebt haben. Es sollte eine Geschichte über Liebe und Erinnerungen werden, ohne Gewalt oder Hass, mit normalen Personen und normalen Geschichten. Wie das Leben der Menschen, die er kannte. Man muss nämlich über das schreiben, was man kennt, dachte er in Erinnerung an Hemingway, der nur über Dinge geschrieben hatte, die er kannte, und auch an Miki, der über Dinge schrieb, die ihn interessierten.
    Von der Eingangshalle bog er in den Flur ein, in dem sich der Erkennungsdienst befand. Capitán Jorrín kam in diesem Augenblick aus der Abteilung. Er sah müde und verwirrt aus, wie jemand, der gerade eine schwere Krankheit überstanden hat.
    »Guten Morgen, Maestro. Was gibts?« Mario reichte ihm die Hand.
    »Jetzt haben wir einen, Conde.«
    »Wie schön.«
    »Nicht so schön. Wir haben ihn die ganze Nacht verhört, aber er behauptet, die Tat alleine begangen zu haben. Du müsstest ihn sehen, ein harter Brocken, und zäh. Tut so, als wär ihm alles scheißegal. Und weißt du, wie alt er ist? Sechzehn, Conde, sechzehn! Ich bin jetzt dreißig Jahre bei der Polizei, aber so etwas kann ich immer noch nicht begreifen. Bin wohl ein hoffnungsloser Fall … Er gesteht die Tat, sagt, er hätte den Jungen niedergeschlagen, um ihm das Rad zu klauen, und das sagt er so, als würde er über Baseball sprechen. Und mit derselben Ruhe sagt er, er wärs alleine gewesen.«
    »Aber er ist kein Kind mehr, Capitán. Wie habt ihr ihn überhaupt geschnappt?«
    Jorrín schüttelte den Kopf und fuhr sich mit der Hand übers zerfurchte Gesicht, so als wollte er es glatt streichen.
    »Anhand des Phantombildes, das uns der Zeuge geliefert hat. Und dann fuhr er auch noch glücklich und zufrieden mit dem Fahrrad des ermordeten Jungen rum. Weißt du, dass manche Leute so was tun, nur um sich zu beweisen?«
    »Hab ich gelesen, ja.«
    »Vergiss die Bücher, Conde. Wenn du was lernen willst, komm mit und sieh ihn dir an. Ein Paradebeispiel … Ich weiß nicht, aber ich glaube, ich muss von hier weg. Es tut mir immer mehr weh und … «
    Jorrín hob zum Abschied leicht die Hand und ging zu den Aufzügen. Mario sah ihm hinterher und dachte, vielleicht hat der alte Wolf ja Recht, dreißig Jahre sind viele Jahre in diesem Beruf. Er stieß die Tür zum Erkennungsdienst auf, verteilte Morgengrüße und Lächeln an die Sekretärinnen und setzte sich vor den Schreibtisch von Dalia Acosta, Sargenta und Dienst habender Offizierin der Abteilung. Er fragte sich immer, wie es möglich war, dass so viele Haare auf einem einzigen Frauenkopf Platz fanden.
    »Was sagt die Grenzpolizei?«
    »Wenig. Bei dem Nordwind springt kaum einer ins Meer. Aber hier, das ist soeben aus La Habana del Este gekommen. Lies mal … «
    El Conde nahm das Computerblatt, das ihm die Kollegin hinhielt, und las unter der Eingangsformel:
     
    Nicht identifizierte Leiche. Vermutlich Mord. Hinweise auf einen Kampf. Vorläufiger Befund des Gerichtsarztes: Zeitpunkt des Todes vor 72 bis 96 Stunden. Gefunden in einem leeren Haus in Brisas del Mar. 05.01.89, 23.00 Uhr.
     
    Er legte das Blatt auf den Schreibtisch. »Wann ist das gekommen, Dalita?«
    »Vor zehn Minuten, Teniente.«
    »Und warum hast du mich nicht informiert?«
    »Ich hab dich sofort angerufen, aber Manolo hat gesagt, du wärst unterwegs hierher.«
    »Gibts noch weitere Nachrichten?«
    »Dieses Blatt hier, von der Gerichtsmedizin.«
    »Gut, ich geb dir beides so schnell wie

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