Ein Pirat zum Verlieben
drinnen, dachte sie.
Nachdem sie einen Moment lang verschnauft hatte, rieb sie sich die Stirn und fing an, in den Stößen von Papier zu blättern. Sie hielt inne, als ihre Finger über das dicke Papier einer handgezeichneten Karte strichen. Pergament? Dann untersuchte sie eine Schublade nach der anderen, wobei sie sich nicht im Geringsten dafür schämte, hier herumzuschnüffeln. Alles hier war bizarr genug, um ein solches Vorgehen zu rechtfertigen.
Keine Kugelschreiber oder Bleistifte, nur dünne Stifte aus dunklem Graphit, Federkiel, Tintenfass und eine Dose mit Sand. Sie schüttelte den Kopf und sank seufzend in den Sessel zurück. Nicht einmal eine Büroklammer. Die Sache wurde von Minute zu Minute seltsamer. Tess hielt sich an der Schreibtischkante fest und hangelte sich vorsichtig zum Schrank weiter, wobei sie es sich versagte, einen Blick in die Kommode zu werfen. Irgendwo musste sie eine Grenze ziehen, fand sie. Als sie den Schrank öffnete, fand sie eine Herrengarderobe aus kostbaren Stoffen vor: Jacken aus Samt und Brokat, Hemden aus Batist und Seide, Kniehosen aus Wildleder und Satin, lange Hosen aus derberem Material. Tess blinzelte. Keine Reißverschlüsse, keine Schnallen, nur Knöpfe aus Holz oder Keramik und grobe Haken. Sie schloss die Tür, um sich kurz mit dem Rücken daran zu lehnen, und ging dann zu der Tür, von der sie annahm, dass sie ins Badezimmer führte. Eine Hand auf der Messingklinke, versuchte Tess die Tür zu öffnen, aber plötzlich verlor sie das Gleichgewicht. Ihr wurde schwindelig und sie fühlte sich schwach und elend. Ich schaffe es nie zum Bett zurück, dachte sie, als sie einen Arm ausstreckte. Die Tür ging auf. Nach einem kurzen Blick rauschte es in ihren Ohren, und ihre Beine gaben unter ihr nach.
»O nein«, flüsterte sie. Starke Hände fingen sie auf, bevor sie auf den Boden schlug.
Dane hob Tess in seine Arme und hielt sie an seine Brust gedrückt. »Sie hätten nicht aufstehen sollen, Mistress Renfrew«, tadelte er sie sanft.
»He, darauf wäre ich nie gekommen«, murmelte sie und ließ den Kopf an seine Schulter sinken.
Er lächelte. Er genoss es, sie die wenigen Schritte bis zu seinem Bett in seinen Armen zu spüren. Widerstrebend bettete er sie auf die Matratze, trat dann zurück und stemmte die Hände in die Hüften. »Madame. Haben Sie gegessen?«
»Ein bisschen.« Warum fühle ich mich wie ein Kind, das zurechtgewiesen wird?, fragte sie sich.
»Dann schlage ich vor, Sie essen das auf.« Er deutete mit einer Kopfbewegung auf die Mahlzeit und wandte sich ab.
»Das klingt nach einem ›sonst‹, Captain Blackwell.«
Er drehte sich stirnrunzelnd um. »Verzeihung?«
»Essen Sie, sonst stopfe ich es Ihnen persönlich in den Hals, oder?«
Er lächelte, und obwohl sie ihn schon vorher attraktiv gefunden hatte, war sie nicht auf die Wirkung dieser Grübchen vorbereitet gewesen.
»Wenn es sein muss.«
»Nur wenn Sie mir Gesellschaft leisten.« Als er ein überraschtes Gesicht machte, fügte sie hinzu: »Bitte! Ich langweile mich schrecklich.« Sie redete sich selbst ein, dass das der einzige Grund war, warum sie sein Bleiben wünschte.
Dane, der spürte, wie ihm bei ihrer leisen Bitte die Knie weich wurden, nickte zustimmend, obwohl ihm bewusst war, dass es unklug war, ihr so nahe zu sein. Sie hatte eine Wirkung auf ihn wie keine Frau je zuvor. Tess Renfrew faszinierte ihn. Er zog einen Stuhl an die Bettseite, als Tess ein Stück zur Seite rutschte und das Tablett zwischen sie schob.
»Greifen Sie zu.« Sie probierte ein Stück Mango und nahm einen Schluck Kräutertee.
»Sie haben noch nicht vom Rindfleisch gekostet, Mistress?«
Mistress? Madame? Ziemlich förmlich für einen Mann, der an ihrem Bett speiste. »Ich esse kein rotes Fleisch«, erklärte sie und schob ein Stück Melone in den Mund. Ihr grauste bei der Vorstellung, welche chemischen Substanzen sich in dem blutigen Stück Fleisch befinden mochten.
»Frisches Rind ist auf einem Schiff eine Seltenheit, Mistress Renfrew.« Dane riss ein Stück Brot ab und füllte es mit den saftigen Fleischstücken.
Ihre Augenbrauen fürchten sich. »Wie das?«
Er hob den Blick. War sie so unwissend? »Lebende Tiere dieser Größe beanspruchen wertvollen Laderaum, und wenn sie erst einmal geschlachtet sind, verdirbt das Fleisch schnell«, teilte er ihr mit und machte einen Bissen.
»Dann frieren Sie es doch ein.«
Seine Kaubewegungen wurden langsamer. »Bei dieser Hitze?« Er schluckte und deutete auf den
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