Ein Pirat zum Verlieben
sich um Geduld. »Der Wind in den Segeln«, sagte er betont, »treibt ein Schiff an.«
»Ja, sicher, Klipper, Katamarane, Segelboote, aber nicht einen vierhundert Fuß langen Luxuskreuzer aus Stahl. Warum erzähle ich Ihnen das? Sie sind der Kapitän.«
Sein Gesichtsausdruck wurde plötzlich verschlossen, undeutbar. »Der bin ich«, sagte er und stand abrupt auf. »Ich schlage vor, Sie ruhen sich jetzt aus, Mistress. Ich lasse Ihnen später etwas zu essen bringen. Guten Abend.«
Er verbeugte sich kurz, bevor er sich zum Gehen wandte, und erst jetzt fiel Tess auf, dass an dem Gürtel um seine Taille ein glänzendes silbernes Entermesser hing.
5
Dane starrte die geschlossene Tür einen Moment lang an, bevor er seine stramme Haltung lockerte. Nachdenklich rieb er sich den Nacken. Merkwürdige Person. Er hatte eine weinende, verschreckte kleine Blume erwartet, nicht dieses verführerische Energiebündel. Merkwürdig auch ihre kurz angebundene Art zu sprechen. Und er zerbrach sich immer noch den Kopf über diese Schraube, von der sie offensichtlich annahm, dass damit ein Schiff angetrieben wurde. Als er sich kopfschüttelnd umdrehte, stellte er fest, dass ihm der Weg versperrt war.
»Die Dame ist aufgewacht, Sir?«
»So ist es.«
»Wie ist sie? Wie lautet Ihr Name? Hatte sie Angst? Hat sie …«
Dane, der sich durch Duncans eifrige Fragen irritiert fühlte, hob eine Hand. »Unser Gast ist eine Mistress Tess Renfrew und nein, sie hatte keine Angst.« Dane beschloss, ihre seltsamen Bemerkungen für sich zu behalten, insbesondere die über ein vierhundert Fuß langes Stahlschiff. Jeder vernünftige Mensch wusste, dass ein solches Schiff unweigerlich sinken musste.
»Renfrew, sagen Sie?«, überlegte Duncan laut und kratzte sich am Kinn.
»Ja. Lassen Sie eine leichte Mahlzeit für die Dame zubereiten.«
Duncan, der tief in Gedanken versunken war, nahm den Befehl geistesabwesend zur Kenntnis.
»Was beunruhigt Sie, McPete?«
Dass er beim Nachnamen genannt wurde, verriet ihm, dass der Kapitän mit seiner Geduld am Ende war. »Es ist ihr Familienname, Käpt’n. Renfrew. Er kommt mir irgendwie bekannt vor, aber …« Er zuckte die Achseln. »Es wird mir schon wieder einfallen.« Duncan wandte sich zum Gehen.
»Behalten Sie die Neuigkeit, dass sie zu sich gekommen ist, für sich, Mann!«, rief Dane ihm nach, als der Diener den Niedergang erreichte. »Ich kann keine Meuterei an Bord brauchen!« Er machte eine Pause. »Noch etwas, Duncan …«
»Ja, Sir?«
»Ich schlage vor, das nächste Mal klopfen Sie an.«
Duncan grinste und stieg die Stufen hinunter. »Aye, aye, Käpt’n.«
Tess hielt sich für eine vernünftige Person, eine Realistin, und nachdem sie bis zu ihrem achten Lebensjahr von ihrem Mutterwitz gelebt hatte und danach aufgrund der militärischen Laufbahn ihres Vaters viel in der Welt herumgekommen war und dabei die verschiedensten Kulturen kennen gelernt hatte, hatte sie gelernt, nicht allzu viel darauf zu geben, wenn etwas aus dem Rahmen fiel. Wer einmal einen Teller mit rohem Tintenfisch vorgesetzt bekommen hatte, von einem Gastgeber, der absolut überzeugt war, man würde sich begeistert auf das wabbelige Zeug stürzen, und es übel nahm, wenn dem nicht so war, entwickelte spontan die Fähigkeit, sich nicht mehr so leicht aus der Fassung bringen zu lassen. Aber diese Kajüte war unvorstellbar. Fremdartig und nostalgisch, zugegeben, und das gänzliche Fehlen von elektrischen Geräten sowie Funktelefonen oder Maschinenlärm brachte sie zu der Überlegung, wie es an Deck aussehen mochte. Andererseits, was wusste sie schon von Vergnügungsjachten? Abgesehen von der Queen war sie noch nie auf einem Schiff gewesen, und dieser Trip hatte nur den Zweck gehabt, eine Woche lang Spaß zu bieten, Flirts und vielleicht ein romantisches Abenteuer.
Tess stützte sich auf beide Ellbogen, als es an die Tür klopfte. Nachdem sie »Herein!« gerufen hatte, beobachtete sie, wie ein stämmiger älterer Mann mit einem Tablett in den Armen sich in die Kajüte schob. Interessanter Typ, stellte Tess fest, als sie sich aufsetzte, verlockt von dem köstlichen Duft nach frisch gebackenem Brot.
»Guten Abend, Miss.« Seine zottigen grauen Haare wehten, als er sich verbeugte. »Ich bin Duncan McPete, persönlicher Diener des Kapitäns«, stellte er sich vor und zündete mit einer fleischigen Hand eine altmodische Öllampe an.
Diener, so, so. Sie verfolgte jede seiner Bewegungen, erstaunt, dass jemand von seiner Statur so
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