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Ein Pirat zum Verlieben

Ein Pirat zum Verlieben

Titel: Ein Pirat zum Verlieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy J. Fetzer
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das, was vorgefallen war, lief sie ruhelos in der Kajüte hin und her. Jedes Mitglied der Besatzung schien außerstande, aus dieser Fantasiewelt auszubrechen, einschließlich des Captains. Keiner ließ auch nur einen Gedanken an das zwanzigste Jahrhundert in seinen Dickschädel. Was war mit diesem Haken gewesen? Sicherlich ein Versehen. Und waren sie alle so fanatisch in ihrem Spiel, dass sie Fantasie und Wirklichkeit nicht mehr voneinander unterscheiden konnten? Und was bedeutete das für sie, den einzigen Gast in diesem bizarren Szenario, Tage, vielleicht Wochen von jeder Zivilisation entfernt auf einem Schiff voller Spinner? Sie würde abwarten müssen, bis man sie entweder an Land brachte oder bis eine Rettungsmannschaft kam, was hieß, dass sie erst einmal als vermisst gemeldet werden musste. Und das konnte nur Penny tun. Tess blieb abrupt stehen. O Gott! Sie wurde wohl auch langsam verrückt. Eine Woche auf dem Kreuzschiff, vielleicht achtundvierzig Stunden im Wasser, überlegte Tess, ganz zu schweigen davon, wie lange ihre Genesung gedauert hatte. Ja, Penny würde mittlerweile ganz schön in Panik sein und sich noch dazu schuldig fühlen. Tess betete, dass die Schauspielerin nicht etwa nachträglich Bedenken wegen des Einbruchs kamen; das einzige Ziel ihres Plans war gewesen, ihren Namen herauszuhalten. Jesus, was für ein Durcheinander!
    Da sie das Gefühl hatte, dass jetzt nicht der günstigste Zeitpunkt wäre, den Kapitän zu fragen, ob er ein Funkgerät an Bord hatte, damit sie Penny benachrichtigen konnte, versuchte Tess sich an ihren Geschichtsunterricht und die wichtigsten Ereignisse des achtzehnten Jahrhunderts zu erinnern. Wissen war Macht, dachte sie und ging im Geist durch, was sie vom Zeitpunkt der amerikanischen Revolution an wusste. 1782: England erkennt die Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten an. Massachusetts’ Oberster Gerichtshof erklärt Sklaverei für ungesetzlich. Mal sehen … 1788: Nationalkonvent in Philadelphia; 1789: Washington wird zum Präsidenten gewählt.
    »Was noch, was noch?« Sie schlug sich mit der Handfläche an die Stirn, als könnte sie damit mehr Informationen zutage fördern. »Ach, Mist! Was soll’s?«, murmelte sie. »Egal, was mir noch einfällt, es hilft mir ja doch nicht. Für die bin ich eine verdammte Hexe!«
    Früher hatte man Frauen, die sich der Hexerei verdächtig gemacht hatten, hingerichtet, fiel ihr plötzlich ein, in Eisen gelegt oder auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Würden diese Leute tatsächlich so weit gehen, jemandem, der lediglich auf die verspielten Possen eines Delfins eingegangen war, körperlichen Schaden zuzufügen?
    Es war nicht so, dass Tess nicht fassen konnte, dass man sie für eine Hexe hielt – es gab Hexen, sie selbst kannte eine weiße Hexe, eine Heilerin, um genau zu sein –, es war die Art, wie die Mannschaft ihrer unerschütterlichen Überzeugung Ausdruck verliehen hatte. Sie schüttelte den Kopf. Offenbar waren Danes Leute fest davon überzeugt, dass das Gegenstück existierte, die schwarze Hexe oder der Hexenmeister, Gestalten aus alten Legenden, die durch die Auswüchse ihrer Fantasie zu neuem Leben erwacht waren. Schwarze Magie hatte nichts mit wahrer Hexenkunst zu tun, aber sehr viel mit Satanismus. Voodoo-Zauber, Nazis und kranke Geschöpfe wie Charles Manson waren Zeugnis dafür, dass es immer wieder Menschen gab, die so furchtbare Dinge praktizierten. Zutiefst getroffen, weil man sie der letzteren Kategorie zuordnete, ließ sie sich auf das Bett fallen und gestand sich ein, dass sie keine Ahnung hatte, wie sie ihre abergläubische Furcht beschwichtigen sollte.
    Ein gellender Schrei ließ sie in die Höhe fahren. Tess wartete mit angehaltenem Atem und zählte die Sekunden, überzeugt, dass es der Wind gewesen war. Dann war er wieder zu hören, dieses Mal lauter, und bevor er zu einem leisen Wimmern verklang, raffte sie ihre Röcke und floh aus der Kajüte. Mit erstaunlicher Geschwindigkeit rannte sie den schmalen Korridor hinunter. Als sie aufs Deck stürmte, traf sie der Anblick, der sich ihr bot, wie ein Schlag ins Gesicht. Ein Mann mit nacktem Oberkörper, die Arme über den Kopf gestreckt und an den Mast gebunden, wurde soeben ausgepeitscht.
    Die Männer der Crew versperrten ihr den Blick, aber sie konnte erkennen, dass die Haut des Mannes bereits von den zwei ersten Hieben aufgerissen war und blutete. Atemlos drängte sie sich durch die ungewaschenen Körper, um im nächsten Moment, als ein Seemann weit ausholte

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