Ein Pirat zum Verlieben
ihr eindeutig lieber, wenn Dane das auch mitbekam.
Sie hob ihre gelbe Umhängetasche auf und wühlte hektisch in den Sachen nach irgendetwas, das sie vielleicht brauchen könnte. Frustriert kippte sie den Inhalt auf den Schreibtisch, und weiblicher Krimskrams ergoss sich auf den Boden. Rasch sortierte sie ein paar Sachen aus – Bacitracin, Tylenol, Brandsalbe, Wundpflaster, Schere – und stopfte gerade den ganzen Kram wieder in die Tasche, als Ramsey hinter sie trat.
»Interessantes Stückchen Stoff«, murmelte er und hob einen Hauch Spitze vom Boden auf. Tess drehte sich um und riss ihm das Tanga-Höschen aus der Hand.
»Jetzt ist nicht der Zeitpunkt für dumme Witze, O’Keefe!«, fuhr sie ihn an. Es machte ihr Sorgen, dass Dane sich immer noch nicht gerührt hatte. Sie ging zu ihm, setzte sich sachte auf die Matratze und zog die Decke über seine Brust. Er war so blass.
»Ich übernehme. Sie werden oben gebraucht«, sagte sie zu Gaelan. Er zögerte, nickte dann und verließ hastig die Kajüte, um sich um die Schäden am Schiff zu kümmern, bevor sie schlimmer wurden.
Ramsey lugte neugierig über ihre Schulter, als sie einen weißen Streifen von einer Metallrolle wickelte, ihn in gleich große Stücke schnitt und dann an den Kanten umklappte. Er klebte an ihren Fingern, stellte er staunend fest, als sie dasselbe noch zweimal machte. Sie hob den blutigen Lappen und trug vorsichtig etwas Salbe auf, bevor sie die kleinen Verbandstücke, die in der Form an einen Schmetterling erinnerten, auf den Schnitt drückte. Ihre Finger verharrten einen Moment auf Danes Stirn, um seine feuchten schwarzen Locken zurückzuschieben. Ramsey versteifte sich, um sich gleich darauf für seine Eifersucht zu schelten. Dann kam Duncan in die Kajüte. Er lief zu Tess und reichte ihr ein Handtuch. Tess rieb behutsam Danes Haar trocken, wobei sie immer wieder seinen Namen rief, schnitt dann kleine Quadrate aus weißem Stoff zurecht und klebte sie auf die Wunde. Mit einem Seufzer sah sie zu den beiden Männern auf.
»Ich glaube, er hat eine Contussion.« Sie machten verwirrte Gesichter. »Eine Gehirnerschütterung.« Ihre Augen weiteten sich. »Es könnten Folgeschäden auftreten« – auf ihren Mienen zeichnete sich unverkennbare Besorgnis ab – »oder auch nicht.«
Ramsey, dessen sonnengebräunte Haut um ein paar Schattierungen blasser geworden war, schluckte. »Mit Folgeschäden, M’lady, meinen Sie …?«
»Blutgerinnsel, Schwellen des Gehirns, was weiß ich. Ich bin kein Arzt, aber ich habe schon mit Gehirnerschütterungen zu tun gehabt.«
»Dann können Sie sie heilen?«
Sie zuckte die Achseln. »Sie heilt gewissermaßen von selbst. Wir können ihn nur beobachten und abwarten. Wecken Sie ihn in den nächsten vierundzwanzig Stunden alle zwei Stunden auf.« Sie sah Dane an und rief wieder seinen Namen. »Vielleicht dauert es auch nicht so lang. Möglicherweise kommt er in den nächsten Minuten wieder zu sich.« Bitte, lieber Gott, bitte, betete sie.
»Der Käpt’n wird schon wieder«, sagte Duncan zuversichtlich und klopfte ihr tröstend auf die Schulter. »Er ist sehr zäh.«
»Stimmt, Mädchen. Ich habe ihn schon in schlechterer Verfassung erlebt.«
Tess wandte den Blick nicht von Dane. In ihrer Laufbahn als Sportlerin hatte sie eine Menge Verletzungen zu sehen bekommen, mit zwölf Jahren sogar selbst eine Gehirnerschütterung gehabt. Aber damals hatte es sofortige medizinische Betreuung gegeben. Professionelle Hilfe. Alles, was Dane hatte, waren sie und ihre Erste-Hilfe-Kurse. Er könnte sterben!
»M’lady?«
Tess hob ihre tränenfeuchten Augen zu Duncan. Er hielt ihr Danes Morgenmantel aus dunklem Samt hin. Sie nahm ihn und klemmte ihn unter ihr Kinn. Duncan winkte Ramsey und deutete mit dem Kopf diskret zur Tür. Die beiden Männer gingen leise hinaus.
Tess schälte sich aus ihren nassen Sachen, schlüpfte in den warmen Morgenmantel und setzte sich dann wieder zu Dane aufs Bett. Mit fest geschlossenen Augen beugte sie sich vor und küsste seine kühle Stirn.
»Wach auf«, murmelte sie an seine Haut. Sie schluckte mühsam. Der Schmerz in ihrer Brust sagte ihr, wie viel dieser dunkle Pirat von ihrem Herzen gestohlen hatte. »Lass mich nicht hier allein, Dane.« Sie lehnte sich zurück, den Blick unverwandt auf sein blasses, stilles Gesicht gerichtet. O Gott! Was, wenn es ihm bestimmt war, am heutigen Tag zu sterben? Konnte sie seine Lebensgeschichte beeinflussen? Und wenn sie es nicht konnte? Ihre Kehle zog sich so
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