Ein plötzlicher Todesfall
sie weinte zu stark. Prustend und kichernd schlenderten die Mädchen weiter.
»Hure!«, rief eine von ihnen am Ende der StraÃe.
III
Gavin hätte Mary in sein Büro bitten können, um sie über den jüngsten Briefwechsel mit der Versicherungsgesellschaft zu informieren, beschloss aber, sie zu Hause aufzusuchen. Er hatte sich keine Termine auf den späten Nachmittag gelegt für den unwahrscheinlichen Fall, dass sie ihn bitten sollte, noch zum Essen zu bleiben; sie war eine phantastische Köchin.
Ihr regelmäÃiger Kontakt hatte dafür gesorgt, dass er nicht mehr instinktiv vor ihrem offen gezeigten Kummer zurückwich. Er hatte Mary immer gemocht, doch Barry hatte sie in den Hintergrund gedrängt, wenn sie mit anderen zusammen waren. Dabei hatte sie nie den Anschein erweckt, als würde sie die Nebenrolle ablehnen. Im Gegenteil, sie hatte Barry begeistert in allem unterstützt, hatte fröhlich über seine Witze gelacht, glücklich darüber, einfach mit ihm zusammen zu sein.
Gavin bezweifelte, ob Kay sich jemals damit abfinden würde, die zweite Geige zu spielen. Er knallte die Gänge rein, während er die Church Row hinauffuhr, und stellte sich vor, wie empört Kay wäre, würde er sie bitten, ihr Verhalten zu ändern oder ihre Ansichten ihrem Partner, seinem Glück und seinem Selbstwertgefühl zuliebe für sich zu behalten.
Niemals war er in einer Beziehung unglücklicher gewesen als jetzt. Selbst in den letzten Zügen seiner Affäre mit Lisa hatte es gelegentlich Waffenruhe, Gelächter und unerwartete Erinnerungen an bessere Zeiten gegeben. Mit Kay war es wie Krieg. Manchmal vergaà er, dass doch eigentlich so etwas wie Zuneigung zwischen ihnen existieren sollte. Ob sie ihn überhaupt mochte?
Ihren schlimmsten Streit hatten sie am Morgen nach der Dinnerparty bei Miles und Samantha am Telefon gehabt. SchlieÃlich hatte Kay den Hörer aufgeknallt. Ganze vierundzwanzig Stunden lang hatte er geglaubt, ihre Beziehung sei am Ende, und obwohl er genau das wollte, hatte er mehr Angst als Erleichterung empfunden. Seine Wunschvorstellung war, dass Kay einfach wieder nach London verschwand, in Wirklichkeit aber hatte sie sich mit einem Job und einer Tochter auf der Winterdown-Schule an Pagford gebunden. Unweigerlich würde er ihr in dem kleinen Ort über den Weg laufen. Vielleicht heizte sie ja bereits die Gerüchteküche über ihn an. Er stellte sich vor, dass sie Samantha gegenüber Dinge wiederholen würde, die sie ihm am Telefon vorgeworfen hatte, oder gegenüber dieser neugierigen alten Frau im Feinkostladen, bei der er Gänsehaut bekommen hatte.
Für dich habe ich meine Tochter entwurzelt und meinen Job aufgegeben und bin umgezogen, und du behandelst mich wie eine Nutte, die du nicht bezahlen musst .
Die Leute würden sagen, er hätte sich schlecht benommen. Vielleicht hatten sie ja recht. Es musste einen entscheidenden Moment gegeben haben, an dem er einen Rückzieher hätte machen sollen, aber er hatte ihn nicht bemerkt.
Gavin brütete das ganze Wochenende über, wie es wohl für ihn wäre, als Bösewicht dazustehen. Das wäre neu für ihn. Nachdem Lisa ihn verlassen hatte, waren alle nett und mitfühlend gewesen, besonders die Fairbrothers. Schuld und Angst verfolgten ihn, bis er am Sonntagabend zusammenbrach und Kay anrief, um sich zu entschuldigen. Jetzt war er wieder da, wo er nicht sein wollte, und dafür verabscheute er Kay.
Er stellte seinen Wagen in der Einfahrt der Fairbrothers ab, wie damals, als Barry noch lebte, und ging zur Haustür. Ihm fiel auf, dass jemand den Rasen gemäht hatte, seit er das letzte Mal hier gewesen war. Er klingelte, und sofort öffnete Mary die Tür.
»Hi, wie ⦠Mary, was ist los?«
Ihr Gesicht war nass, in ihren Augen schimmerten Tränen. Sie schluckte ein paar Mal, schüttelte den Kopf, und ohne recht zu wissen, wie es dazu kam, hatte Gavin sie in die Arme genommen.
»Mary? Ist etwas passiert?«
Er spürte, wie sie nickte. Da ihm unangenehm bewusst war, wie exponiert sie vor der Tür standen, steuerte er Mary ins Haus. Sie war klein und zerbrechlich in seinen Armen, sie klammerte sich an ihn, drückte ihr Gesicht in seinen Mantel. Er stellte seine Aktentasche so sacht wie möglich ab, doch der leise Aufprall auf dem Boden führte dazu, dass Mary sich von ihm löste, kurz Luft holte und die Hände vor
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