Ein plötzlicher Todesfall
krächzte sie. »Stellt euch nur vor, wie sie sich fühlen muss, nachdem die Zeitung es gebracht hat! Die Familie stänkert rum. Na ja, man kann es ihnen nicht verübeln, drei Tage allein in dem Haus. Kennst du sie, Howard? Wer ist Danielle Fowler?«
Shirley stand auf und stolzierte aus dem Raum. Samantha trank einen Schluck Wein und lächelte.
»Lass mich mal überlegen«, sagte Howard. Er rühmte sich, in Pagford fast jeden zu kennen, aber die letzten Generationen der Weedons gehörten eher zu Yarvil. »Kann keine Tochter sein, Cath hatte vier Jungs. Enkelin, vermute ich.«
»Und sie verlangt eine Untersuchung«, sagte Maureen. »Na ja, dazu musste es ja kommen. Wenn überhaupt, dann bin ich überrascht, dass es erst jetzt passiert. Dr. Jawanda wollte dem Sohn der Hubbards keine Antibiotika verschreiben, und er landete wegen seines Asthmas im Krankenhaus. Wisst ihr, ob sie in Indien ausgebildet wurde, oder �«
Shirley, die von der Küche aus zuhörte, während sie die SoÃe anrührte, ärgerte sich wie immer, wenn Maureen die Unterhaltung an sich riss. Wild entschlossen, erst dann wieder in den Raum zurückzukehren, wenn Maureen fertig war, ging Shirley ins Arbeitszimmer und sah nach, ob sich jemand für die nächste Sitzung des Gemeinderats entschuldigen lieÃ. Als Sekretärin stellte sie bereits die Tagesordnung zusammen.
»Howard! Miles! Kommt her und seht euch das an!« Shirleys Stimme hatte ihren gewohnt weichen, flieÃenden Ton verloren und klang schrill.
Howard watschelte aus dem Wohnzimmer herbei, gefolgt von Miles, noch immer in dem Anzug, den er den ganzen Tag in der Kanzlei getragen hatte. Maureens gerötete, stark geschminkte Augen waren wie die eines Bluthundes unentwegt auf die Tür gerichtet. Ihre Gier, zu erfahren, was Shirley gefunden oder gesehen hatte, war beinahe mit Händen greifbar. Maureens Finger, ein Bündel hervortretender Knöchel, überzogen von durchsichtiger, mit braunen Flecken gesprenkelter Haut, lieÃen das Kruzifix und den Ehering an ihrer Halskette auf und ab gleiten. Die tiefen Falten, die von Maureens Mundwinkeln bis an ihr Kinn reichten, erinnerten Samantha an die Puppe eines Bauchredners.
Warum bist du immer hier? , fragte Samantha die ältere Frau laut, in ihrem Kopf. So einsam könnte ich gar nicht sein, um ausgerechnet Howard und Shirley auf die Pelle zu rücken .
Widerwille stieg wie Brechreiz in Samantha auf. Am liebsten hätte sie den vollgestopften Raum genommen und zwischen den Handflächen zermalmt, bis das prächtige Porzellan, der Gaskamin und die goldgerahmten Fotos von Miles in Stücke zerbrachen. Zusammen mit der verschrumpelten, angemalten Maureen wollte sie es einer himmlischen KugelstoÃerin gleich anheben und in den Sonnenuntergang schleudern. Das zerstörte Zimmer und das verdammte alte Weib darin glitten in ihrer Phantasie durch den Himmel, stürzten in den grenzenlosen Ozean und lieÃen Samantha allein zurück in der endlosen Stille des Universums.
Sie hatte einen furchtbaren Nachmittag hinter sich. Ein weiteres beängstigendes Gespräch mit ihrem Steuerberater hatte stattgefunden, und von ihrer Heimfahrt nach Pagford wusste sie nicht mehr viel. Gern wäre sie ihre Sorgen bei Miles losgeworden, aber er hatte im Flur seine Aktentasche fallen gelassen, seine Krawatte abgelegt und gefragt: »Hast du etwa noch nicht mit dem Abendessen angefangen?«
Er schnupperte demonstrativ und beantwortete sich seine Frage dann selbst. »Nein. Na ja, auch gut, denn Mum und Dad haben uns eingeladen.« Und bevor sie etwas dagegen einwenden konnte, fügte er barsch hinzu: »Das hat nichts mit dem Gemeinderat zu tun. Es geht um Vorbereitungen zu Dads fünfundsechzigstem Geburtstag.«
Wut war beinahe eine Erleichterung, denn sie überschattete ihre Ãngste und Nöte. Sie war Miles nach drauÃen zum Auto gefolgt in dem Gefühl, ausgenutzt zu werden. Als er sie schlieÃlich an der Ecke Evertree Crescent fragte: »Wie war dein Tag?«, antwortete sie: »Absolut saumäÃig super.«
»Was da wohl los ist?«, brach Maureen das Schweigen im Wohnzimmer.
Samantha zuckte mit den Schultern. Typisch für Shirley, dass sie ihre Männer um sich versammelt hatte und die Frauen nicht beachtete. Samantha würde ihrer Schwiegermutter nicht die Befriedigung gönnen, Interesse zu zeigen.
Die mit Teppich belegten
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