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Ein plötzlicher Todesfall

Ein plötzlicher Todesfall

Titel: Ein plötzlicher Todesfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne K. Rowling
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Ob Mr Wall tatsächlich eine Siebtklässlerin befummelt hat, kann der Geist nicht sagen. Das Feuer seiner fieberhaften Phantasien legt nahe, dass er es gern möchte, auch wenn er es nicht getan hat.
    Das hat Stuart geschrieben , dachte Tessa sofort.
    Im Lichtschein des Monitors war Colins Gesicht totenbleich. So würde er ihrer Vorstellung nach aussehen, wenn er einen Infarkt gehabt hätte.
    Â»Colin …«
    Â»Ich nehme an, Fiona Shawcross hat es rumerzählt«, flüsterte er. Die Katastrophe, die er stets befürchtet hatte, war eingetreten. Das war das Ende. Er hatte sich immer ausgemalt, Schlaftabletten zu nehmen. Er fragte sich, ob genügend im Hause waren.
    Die Erwähnung der Schulleiterin hatte Tessa kurz verunsichert, und sie sagte: »Fiona würde nicht … Jedenfalls weiß sie nicht …«
    Â»Sie weiß, dass ich eine Zwangsneurose habe.«
    Â»Ja, aber sie weiß nicht, was du … Wovor du Angst hast …«
    Â»Doch«, erwiderte Colin. »Ich habe es ihr vor dem letzten Mal gesagt, als ich mich krankgemeldet habe.«
    Â»Warum?«, brach es aus Tessa heraus. »Warum zum Teufel hast du es ihr gesagt?«
    Â»Ich wollte erklären, warum es mir so wichtig war freizunehmen«, antwortete Colin beinahe demütig. »Ich dachte, sie müsste wissen, wie schwerwiegend es war.«
    Tessa unterdrückte den Wunsch, ihn anzuschreien. Der fast unmerkliche Widerwille, mit dem Fiona ihn behandelte und über ihn redete, hatte eine Erklärung gefunden. Tessa hatte sie nie leiden können, sie immer für hart und gefühlskalt gehalten.
    Â»Sei’s drum«, sagte sie, »ich glaube nicht, dass Fiona irgendetwas damit …«
    Â»Nicht direkt«, unterbrach Colin sie. Er drückte eine zitternde Hand an seine verschwitzte Oberlippe. »Aber Mollison hat von irgendwoher Gerüchte gehört.«
    Mollison war es nicht. Stuart hat das geschrieben, ich weiß es . Tessa erkannte ihren Sohn in jeder Zeile. Sie war erstaunt, dass Colin es nicht sehen konnte, dass er die Nachricht nicht mit dem gestrigen Streit in Verbindung brachte, damit, dass er seinen Sohn geschlagen hatte. Er konnte nicht einmal widerstehen, ein wenig Alliteration hineinzubringen. Er musste auch die anderen geschrieben haben: Simon Price. Parminder . Tessa packte das Grauen.
    Colin aber dachte nicht an Stuart, sondern an seine Gedanken, die lebhaft wie Erinnerungen waren, wie sinnliche Eindrücke, gewaltsame, schmutzige Ideen. Eine Hand, die zugreift und zudrückt, während er sich an dicht gedrängten jungen Körpern vorbeizwängt, ein Schmerzensschrei, ein verzerrtes Kindergesicht. Dann fragte er sich immer und immer wieder: Hatte er es getan? Hatte es ihm gefallen? Er konnte sich nicht erinnern. Er wusste nur, dass er andauernd darüber nachdachte, es vor sich sah, es spürte. Weiches Fleisch unter einer dünnen Baumwollbluse; zupacken, drücken, Schmerz und Schock; ein Übergriff. Wie oft? Er wusste es nicht. Stunden hatte er damit verbracht, sich zu fragen, wie vielen es bekannt war, wie lange es dauern würde, bis er bloßgestellt wurde.
    Unfähig, sich selbst zu trauen, lud er sich so viele Papiere und Ordner auf, dass er keine Hand frei hatte, um übergriffig zu werden, wenn er durch die Flure ging. Er rief den ausschwärmenden Kindern zu, ihm aus dem Weg zu gehen, Platz zu machen, wenn er vorbeiging. Das alles nützte nichts. Immer wieder gab es Nachzügler, die an ihm vorbeirannten, auf ihn zukamen, und mit seinen beladenen Händen stellte er sich andere Möglichkeiten vor, sie zu berühren: eine rasche Bewegung mit dem Ellbogen, um an einer Brust entlangzustreifen, ein Schritt zur Seite, um Körperkontakt herzustellen, ein versehentlich gestelltes Bein, um die Leistengegend des Kindes zu spüren.
    Â»Colin«, sagte Tessa.
    Doch er hatte wieder angefangen zu weinen, heftiges Schluchzen schüttelte seinen großen, plumpen Körper, und als sie ihn umarmte und ihre Wange an sein Gesicht drückte, benetzten ihre Tränen seine Haut.
    Ein paar Meilen weit entfernt saß Simon Price in Hilltop House vor einem nagelneuen Familiencomputer im Wohnzimmer. Er schaute Andrew nach, der zu seinem Wochenendjob bei Howard Mollison fuhr. Er dachte daran, dass er für diesen Computer zwangsläufig den vollen Marktpreis hatte zahlen müssen, was ihn wütend machte und ihm das Gefühl

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