Ein Prinz wie aus dem Maerchen
sprintete
sie los. Bereits auf der Rampe sah sie, dass nur ein Pferd im
Transporter war. Der Hengst erschrak über ihr Auftauchen, warf
den Kopf zurück und schlug mit den Hufen an die Wand. Faye
hechtete in die hinterste Box und versteckte sich so gut wie möglich.
Die
hydraulische Rampe wurde hochgeklappt, wenig später schlugen
Türen zu, und der Motor wurde gestartet. Der Transporter
rumpelte über das holprige Pflaster, und der Hengst wurde noch
nervöser. Ein kurzer Stopp – vermutlich mussten die Tore
erst geöffnet werden –, dann fuhr der Wagen weiter.
Allerdings nicht zur Stadt, wie sie gehofft hatte, sondern in die
andere Richtung.
Fabelhaft,
dachte Faye enttäuscht. Nun würde sie auch noch das Pferd
stehlen müssen. Ihre Chancen, in diesem Land als Anhalterin
mitgenommen zu werden, waren minimal.
Wie
weit würde Tariq gehen, um sie zurückzuholen? Würde er
vielleicht bloß die Schultern zucken und ihr Verschwinden
akzeptieren? Faye dachte an seinen Gesichtsausdruck, als er von den
kalten Duschen gesprochen hatte, und plötzlich wurde ihr ganz
heiß. Nein, Tariq würde nicht so leicht auf sie
verzichten. Einmal mehr hatte sie sich in seinen Augen als Betrügerin
entlarvt. Zweifelnd betrachtete sie den auskeilenden Rappen. Araber
waren überaus reizbar, und dieses Tier wollte sie notfalls
entwenden und reiten?
Der
Transporter wurde langsamer und blieb schließlich stehen. Kein
Wunder, dass sie anhielten, der Hengst war inzwischen in heller
Panik. Faye näherte sich vorsichtig seiner Box, redete
besänftigend auf ihn ein und streichelte ihn. Er reagierte
sofort. Als die Laderampe heruntergelassen wurde, nahm sie die Zügel
in eine Hand und öffnete mit der anderen das halbhohe Gatter der
Box. War sie verrückt, dieses Risiko einzugehen? Aber der Rappe
drängte bereits vorwärts. Er brannte darauf, das verhasste
Gefängnis zu verlassen, und so schwang sie sich ohne Zögern
in den kunstvollen Ledersattel.
Die
nächsten Momente verschwammen wie im Nebel. Die Rampe fuhr nach
unten, grelles Sonnenlicht blendete Faye. Ein flüchtiger Blick
auf verblüffte dunkle Gesichter, und schon stürmte der
Hengst wie der Wind auf die weite Salzebene zu, die sich hinter dem
Rastplatz erstreckte, auf dem der Wagen parkte.
Faye
ließ das schöne Tier galoppieren. Da sie die Landkarte
gründlich studiert hatte, wusste sie, wo sie waren. Sie brauchte
nichts weiter zu tun, als sich außer Sichtweite der Straße
am Rand der Wüste zu halten, bis sie die Stadtgrenze erreichte.
Irgendwann würde sie das Pferd jemandem anvertrauen müssen,
der es zum Palast zurückbrachte, aber das war ihre einzige
Sorge.
Sie
war ein wenig verwundert über den heftigen Wind, der ihr das
Haar aus dem Gesicht wehte. Es war noch immer sehr heiß, und so
legte sie eine kurze Rast ein, um ihren Rucksack zu öffnen. Sie
entschied sich jedoch gegen die männliche Kopfbedeckung und
schlang sich stattdessen einen Schal um den Kopf. Über der Sonne
lag ein leichter Schleier.
Nach
einer Stunde wich die Salzebene dem Sand, und sie wurden langsamer,
aber damit hatte Faye gerechnet. Als die Landschaft jedoch erneut
wechselte und sandiges Strauchland in Dünen überging, die
sich von kaum merklichen Anhebungen zu nahezu steilen Hängen
steigerten, wuchs ihr Unbehagen. Mit solchen Hindernissen hatte sie
nicht gerechnet. Offenbar war sie zu weit in die Wüste geraten.
Obwohl
der Wind zunehmend stärker wurde und heulte, erschien ihr die
Stille unerträglich. Das Licht wurde blasser. Das kann nicht
sein, sagte sie sich, es ist erst kurz vor fünf. Ihr blieben
noch mindestens drei Stunden Tageslicht, genug Zeit, um ans Ziel zu
kommen. Nichtsdestotrotz lag die Sonne jetzt hinter einem sonderbaren
rötlichen Dunst, und dunkle Wolken türmten sich an einem
bleigrauen Himmel.
Es
wird regnen, überlegte Faye, wahrscheinlich mit Blitz und
Donner. Der Hengst scheute und schnaubte, ein nervöses Zittern
durchrann seine Muskeln. Plötzlich preschte er los und ließ
sich von ihr nicht mehr zügeln. Er war viel zu stark für
sie und stürmte eine steile Düne hinauf. In diesem Moment
hörte Faye in der Ferne das Rotorengeräusch eines nahenden
Helikopters.
"Ruhig,
mein Junge, ruhig!" rief sie, als der Rappe sich aufbäumte.
Sie
versuchte vergeblich, sich im Sattel zu halten, doch sie wurde
abgeworfen und landete unsanft auf dem Sand. Als sie wieder auf die
Füße kam, war der Hubschrauber bereits gelandet, und ein
Mann kam auf sie zu.
Es
war Tariq, aber ein Tariq,
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