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Ein Profi. Stories vom verschütteten Leben

Ein Profi. Stories vom verschütteten Leben

Titel: Ein Profi. Stories vom verschütteten Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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meiner Seele.«
    »Versuch mal das hier«, sagte Vicki und gab mir das Glas Wasser mit dem Alka Seltzer drin.
    »Geh ruhig und sieh dich allein ein bißchen um«, sagte ich. »Ich kann heute nicht.«
    Vicki ging und sah sich allein ein bißchen um und kam zwischendurch zwei- oder dreimal zurück, um nachzusehen, ob mir auch nichts fehlte. Mir fehlte nichts. Ich ging aus und aß was und kam mit zwei Sechserpackungen wieder und erwischte im Fernsehen einen alten Film mit Henry Fonda, Tyrone Power und Randolph Scott. 1939. Sie waren alle so jung, es war nicht zu fassen. Ich war damals siebzehn. Aber, natürlich, ich war heute besser dran als die. Ich lebte noch.
    ›Jesse James‹. Sie spielten schlecht, sehr schlecht. Vicki kam zurück und berichtete mir von allerhand erstaunlichen Dingen und legte sich dann zu mir aufs Bett und sah sich auch ›Jesse James‹ an. Als Bob Ford sich anschickte, Jesse (Ty Power) in den Rücken zu schießen, stöhnte Vicki laut auf und rannte ins Bad und versteckte sich. Ford brachte sein Ding.
    »Es ist vorbei«, sagte ich. »Kannst wieder rauskommen.«
    Das war der Höhepunkt unseres Trips nach Catalina. Sonst passierte nicht viel. Ehe wir abreisten, ging Vicki zu den Leuten von der Handelskammer und dankte ihnen für den angenehmen Aufenthalt. Sie bedankte sich auch bei der Frau in Davey Jones’ Locker und kaufte Geschenke für ihre Freunde Lita und Walter und Ava und ihren Sohn Mike und etwas für mich und etwas für Annie und etwas für einen Mr. und eine Mrs. Croty und noch ein paar andere, die ich wieder vergessen habe.
    Die Rückfahrt machten wir per Schiff, und wir gingen an Bord mit unserem Vogelkäfig und unserem Vogel und unserer Eiskiste und unserem Koffer und unserer elektrischen Schreibmaschine. Ich fand eine freie Ecke auf dem Hinterdeck, da setzten wir uns hin, und Vicki war traurig, weil es zu Ende war. Ich hatte Hemingway noch auf der Straße getroffen, er hatte mich mit dem Hippie-Handschlag begrüßt und gefragt, ob ich Jude bin und ob ich mal wiederkomme, und ich hatte gesagt, ich bin kein Jude und ich weiß auch nicht, ob ich wiederkomme, das kommt auf die Lady an, und er sagte, ich will mich nicht in deine privaten Angelegenheiten einmischen, und ich sagte, Hemingway, du redest wirklich einen Stuß daher, und das ganze Schiff neigte sich auf die linke Seite und schlingerte und stampfte, und ein junger Mann, der aussah, als habe er gerade eine Elektroschock-Behandlung hinter sich, lief herum und verteilte Kotztüten an die Passagiere. Vielleicht ist das Wasserflugzeug doch die beste Lösung, dachte ich, es dauert bloß zwölf Minuten und es sind erheblich weniger Leute drin, und San Pedro kam langsam auf uns zu, Zivilisation, Zivilisation, alles viel netter und angenehmer, die Irren und die Säufer sind die letzten Heiligen auf der Welt. Ich bin nie auf einem Pferd geritten oder zum Kegeln gegangen, und die Schweizer Alpen habe ich auch nie gesehen, und Vicki sah zu mir her mit diesem ausgesprochen kindischen Lächeln, und ich dachte, sie ist wirklich eine erstaunliche Frau, na ja, wurde auch Zeit, daß ich ein bißchen Glück habe, und ich streckte die Beine aus und sah geradeaus. Ich mußte schon wieder dringend aufs Scheißhaus, und ich beschloß, meine Trinkerei ein bißchen einzuschränken.

Liebe unter Toten
1
    Es war ein Hotel ziemlich oben auf einem Hügel, der gerade abschüssig genug war, um einem ausreichend Beschleunigung zu geben, wenn man hinunter zum Schnapsladen rannte, und wenn man mit der Flasche zurückkam, war er gerade steil genug, daß sich die Anstrengung lohnte. Das Hotel hatte einmal einen pfauengrünen Anstrich gehabt, sehr knallig, doch nach unzähligen Regengüssen, nach diesem typischen Los-Angeles-Regen, der alles blank putzt und ausbleicht, klammerte sich das einst knallige Grün nur noch mit letzter Kraft an die Fassade – genau wie die Leute, die dahinter hausten.
    Wie ich dazukam, gerade hier einzuziehen, oder weshalb ich meine vorherige Wohnung aufgegeben hatte, weiß ich heute nicht mehr. Wahrscheinlich lag es daran, daß ich trank und nicht viel arbeitete und mitten am Morgen mit irgendwelchen Straßendirnen lautstarke Auseinandersetzungen hatte. Und mit mitten am Morgen meine ich nicht 10.30 Uhr, sondern 15.30 Uhr. Falls gerade mal nicht die Polizei gerufen wurde, endete es gewöhnlich mit einer kleinen Notiz unter der Tür, immer mit Bleistift auf einen Fetzen liniertes Papier geschrieben: »Sehr geehrter Herr, wir müssen

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