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Ein Profi. Stories vom verschütteten Leben

Ein Profi. Stories vom verschütteten Leben

Titel: Ein Profi. Stories vom verschütteten Leben
Autoren: Charles Bukowski
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Zeug reinkam zu den Boys und Girls, dann war ich unbestritten der King.
    Eines Abends saß ich mit Lou in seinem Zimmer. Er war mit seiner Miete eine Woche im Verzug, und meine war gerade fällig. Wir tranken Portwein. Wir waren so weit herunter, daß wir sogar schon Selbstgedrehte rauchten. Lou hatte dafür einen Apparat, damit ging es ganz gut. Die Hauptsache war, daß man vier Wände um sich hatte. Dann hatte man noch eine Chance. Wenn man erst mal auf der Straße lag, hatte man keine Chance mehr, dann hatten sie einen, und zwar endgültig. Wozu noch etwas aus der Tiefkühltruhe klauen, wenn man sich nichts mehr braten konnte? Und wie wollte man eine pimpern, wenn man in der Gosse hauste? Wie sollte man schlafen, wenn sie bei der Inneren Mission alle schnarchten? Und einem die Schuhe klauten? Und stanken? Und bekloppt waren? Nicht mal Wichsen ist da noch drin. Man braucht vier Wände um sich herum. Gib einem Mann lange genug seine vier Wände, und er ist imstande und macht sich die Welt Untertan.
    Also wir machten uns langsam Sorgen. Jeder Schritt hörte sich an, als sei es die Vermieterin. Und die war eine sehr mysteriöse Person. Eine junge Blondine, die keinen ranließ. Ich zeigte ihr immer die kalte Schulter und hoffte, sie würde dann von selber ankommen. Sie kam auch tatsächlich, aber nur wegen der Miete. Sie hatte irgendwo einen Ehemann, aber wir kriegten ihn nie zu sehen. Die beiden lebten zusammen, und auch wieder nicht. Wir waren am Abschnappen. Wir sagten uns, wenn wir die Vermieterin vögeln könnten, dann wären wir aller Sorgen ledig. Es war eine von diesen Absteigen, wo es selbstverständlich war, beinahe sogar obligatorisch, daß man sämtliche Frauen vögelte. Aber an die hier kam ich nicht ran, und das machte mich unsicher.
    Wir saßen also da, rauchten unsere Selbstgedrehten, tranken unseren Portwein, und die vier Wände rückten langsam von uns ab und verkrümelten sich. Reden hilft in so einer Lage noch am ehesten. Man trinkt seinen Wein und redet sich in Fahrt. Wir waren Feiglinge, wir wollten weiterleben. Nicht auf Biegen und Brechen, aber weiterleben wollten wir trotzdem.
    »Tja«, sagte Lou, »ich glaube, ich hab’s.«
    »Yeah?«
    »Yeah.«
    Ich goß uns Wein nach.
    »Wir machen es zusammen.«
    »Klar.«
    »Also, du bist gut im Reden. Du erzählst einen Haufen interessante Geschichten. Ob sie wahr sind oder nicht, spielt dabei keine Rolle …«
    »Sie sind wahr.«
    »Ich sag, es spielt keine Rolle. Du hast ein gutes Mundwerk. Also, wir machen folgendes. Da unten an der Straße ist eine vornehme Bar, du kennst sie, Molino’s. Da gehst du rein. Alles was du brauchst, ist das Geld für den ersten Drink. Dafür legen wir zusammen. Du hockst dich hin, gehst sparsam mit deinem Drink um und suchst dir einen Typ, der gut bei Kasse ist. Da sitzen immer ein paar betuchte Herren drin. Sobald du einen siehst, gehst du zu ihm hin. Du setzt dich neben ihn und fängst an, ihm die Hucke vollzulabern. Er wird darauf stehen. Du hast einen beachtlichen Wortschatz. Okay, er wird dir also einen Drink nach dem anderen bestellen, und er wird selber mittrinken. Sieh zu, daß er sich einen ansäuft. Wenn der Laden schließt, dirigierst du ihn in Richtung Alvarado Street, nach Westen, an der kleinen Seitengasse vorbei. Sag ihm, du wirst ihm eine schicke junge Pussy besorgen; sag ihm, was du willst, aber dirigiere ihn Richtung Westen. Am Eingang zu der Gasse werde ich auf ihn warten. Mit dem hier.«
    Lou griff hinter die Tür und brachte einen Baseballschläger zum Vorschein. Es war ein sehr großer Baseballschläger. Mindestens 42 Unzen, würde ich sagen.
    »Mann Gottes, Lou, damit bringst du ihn ja um!«
    »Nee, nee, ein Besoffener ist nicht umzubringen, das weißt du selber. Wenn er nüchtern wäre, würde er vielleicht dabei draufgehen, aber nicht, wenn er besoffen ist. Da verliert er nur für ’ne Weile das Bewußtsein. Wir nehmen ihm die Brieftasche ab und teilen uns die Piepen.«
    »Hör mal, Lou, ich bin ein anständiger Mensch. Ich bin nicht so.«
    »Du bist kein anständiger Mensch, du bist einer der gemeinsten Drecksäcke, die ich je getroffen habe. Deshalb bist du mir ja so sympathisch.«
4
    Ich sah einen. Einen großen Dickwanst. Von großen stupiden Dickwänsten war ich mein Leben lang gefeuert worden, aus miesen unterbezahlten stumpfsinnigen harten Jobs. So einen reinzureiten würde mir gut tun. Ich begann zu reden. Ich hatte keine Ahnung, was ich da alles redete, aber er hörte zu und lachte und
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