Ein Quantum Blut - Biting the Bullet
vollautomatischen Modus umgeschaltet. Das würde ich bitter bereuen, wenn ich die Zügel wieder in der Hand hatte. Doch bis dahin konnte ich wenigstens noch meinen Job machen.
Cassandra sagte: »Wenn ihr den Zauberer findet, werdet ihr vermutlich bemerken, dass ihm ein Teil eines Fingers fehlt.«
Ich nickte. Das würde seine geringste Sorge sein, wenn ich ihn fand.
Cole kam herein.
»Irgendwas passiert?«, fragte ich ihn.
Er schüttelte den Kopf.
Verdammt noch mal, Raoul, mach was!
Ich wandte meine Aufmerksamkeit, oder was davon vorhanden war, wieder Cassandra zu. Sie hatte den Fingerknochen auf den Boden gelegt, in einen Kreis aus gelbem Pulver. »Komm, Jaz«, sagte sie angespannt. »Beuge deinen Kopf über den Kreis.«
Ich folgte ihrer Anweisung, wobei es mir ziemlich egal war, was als Nächstes kommen würde. Hätte sie das Pulver angezündet und dabei auch meine Haare erwischt, hätte ich mit keinem Wort protestiert. Doch stattdessen streute sie eine glitzernde weiße Substanz auf das Pulver, wie Zucker, nur mit größeren Kristallen. Gleichzeitig flüsterte sie ein paar abgedrehte Worte. »Ayada. Torenia. Terell avatam latem.«
Der Kreis entzündete eine Art elektrischen Miniwirbelsturm, mit meinem Kopf als Zentrum. Jedes Mal, wenn ich einatmete oder schluckte, schmeckte ich Eisen. Meine Augen waren trocken, und egal wie oft ich blinzelte, es fühlte sich an, als hätte ich eine Wimper von der Größe eines Baumes unter meinen Kontaktlinsen. Ich bekam pulsierende Kopfschmerzen, aber sie waren mir willkommen. Ich verdiente nichts anderes für das, was ich meinem Bruder angetan hatte. Es spielte keine Rolle, dass er seine bisherige Existenz niemals gewollt hätte. Jetzt lag er meinetwegen tot in der Küche auf dem Boden.
Der Sturm brach abrupt ab und ließ mich auf allen vieren zurück, hechelnd wie ein verdurstender Hund. Aber ich hatte sie. Die Signatur des Zauberers. Bei ihrem Gestank
verzog ich angewidert die Lippen. Eine Mischung aus aufgequollenem Leichnam, abgestandenem Wasser und wirklich billigem Aftershave. Und ich hatte geglaubt, Vampire wären schlimm.
»Ich weiß, wo er ist«, sagte ich. Ich stand auf, schwankte gefährlich und hielt mich an Vayl und Cole fest, als sie versuchten, mich wieder aufzurichten. »Wir brauchen einen Wagen. Und mehr Waffen.«
Zu viert kehrten wir in die Küche zurück.
»David!« Cassandra fiel neben meinem Zwillingsbruder auf die Knie. Der sich aufgerichtet hatte. Hände schüttelte. Nicht lächelte. Aber auch niemandem ein zweites Lächeln entlockte.
Ich blieb in der Tür stehen und klammerte mich an Coles und Vayls Oberarmen fest. Sonst wäre ich zusammengeklappt. Die Erleichterung machte meine Knie butterweich. Aber da Cassandra schon das Heulen für mich übernommen hatte, konnte ich mit trockenen Augen dort stehen. Und auf sein Urteil warten.
Als er mir in die Augen sah, wurde es still im Raum. »Ich hätte niemals tun können, was du getan hast«, sagte er endlich. »Du bist eine erstaunliche Frau. Vielen Dank.«
Ich neigte den Kopf und presste die Lippen aufeinander, damit ich nicht anfing zu heulen. Denn dann würden als Nächstes die Rotzblasen kommen. Und ich wollte diesen Moment ganz bestimmt nicht durch Rotzblasen verderben. Also tat ich es durch Arbeit.
»Ich kann dir gar nicht sagen, wie glücklich ich bin, dich wiederzuhaben. Aber wir müssen jetzt gehen«, erklärte ich ihm. »Cassandra sagt, wenn wir das nicht tun, wird der Zauberer davonkommen.«
»Du weißt, wo er ist?«, fragte Cam, während bei der
Erwähnung seines ehemaligen Meisters das bisschen Farbe aus Daves Gesicht wich, das er wieder gewonnen hatte.
»Ja«, sagte ich knapp. »Wir nehmen den TV-Van.«
»Dann habt ihr ja genug Platz für uns«, sagte Jet und erhob sich mit dieser Versuch-doch-mich-aufzuhalten-Attitüde, von der ich schnell gelernt hatte, besser nicht dagegen anzukämpfen.
Ich zuckte mit den Schultern und sagte: »Ja, okay, wer mitkommen will, kann das tun.«
»Das wären dann wohl wir alle«, sagte Dave. Er kämpfte sich auf die Füße. Und bevor er sich blamieren konnte, griffen Cam und Natchez ihm unter die Arme. Er sah sich um. »Wo ist Grace? Wir werden sie ebenfalls brauchen.«
»Sie ist verwundet«, sagte ich kurz, da ich ihn im Moment noch nicht auf die Schuldgefühlstraße schicken wollte. Wir wussten es alle besser und versuchten gar nicht erst, Dave auszureden, dass er mit uns kam. Klar, das war wahrscheinlich die schlechteste Idee aller Zeiten.
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