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Ein Regenschirm furr diesen Tag

Ein Regenschirm furr diesen Tag

Titel: Ein Regenschirm furr diesen Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Genazino
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suchen nach Nahrung. Ich schaue ihnen eine Weile zu, und sie gefallen mir gut. Noch kurz vor dem Eingang strauchle ich und will wieder nach Hause. In diesen Augenblicken verläßt ein gutgekleideter Mann das Verlagsgebäude. Der Mann hat ein Exemplar des Generalanzeigers zu einem Stab zusammengerollt und schlägt sich damit während des Gehens auf den rechten Oberschenkel. Von dieser Verhaltensweise geht ein Druck auf mich aus. Es ist merkwürdig, aber von diesem Augenblick an weiß ich, daß ich nicht mehr zurückkann. Momentweise blitzt die Möglichkeit auf, daß meine inneren Vorbehalte verbraucht und veraltet sein könnten. Sofort möchte ich wissen, ob es verdorbene Empfindlichkeit gibt oder nicht; wenn ja, ob verdorbene Empfindlichkeit selber schon ein Produkt verdorbener Empfindlichkeit ist und aufgrund welcher Prozesse Empfindlichkeit sich in verdorbene Empfindlichkeit verwandeln kann. Vielleicht weiß es Messerschmidt, denke ich und erfreue mich still meines Hohns. Sekunden später betrete ich den Hauptflur des Verlagshauses. Ein Teil meiner Unruhe legt sich, als ich sehe, daß sich die Anzeigenabteilung immer noch links vom Hauptflur befindet. Die Redaktion ist nach wie vor im ersten Stockwerk untergebracht. Auf der Treppe begegnet mir Feuilletonredakteur Schmalkalde, der mich nicht wiedererkennt. Vor neunzehn Jahren sammelte er einmal alles, was anonyme Prospektverteiler ein Jahr lang in seinen Briefkasten steckten. Aus dem Material wollte er eine ›kommunikationskritische Fibel‹ machen, die jedoch nie gedruckt wurde. Jetzt geht Schmalkalde wie ein nie erschienenes Buch an mir vorbei und schaut auf den Boden. Messerschmidt zerschneidet mit einem kleinen Taschenmesser einen Pfirsich, als ich die Tür zu seiner Stube öffne. Er legt das Taschenmesser weg und kommt auf mich zu. Er ist füllig geworden und hat ein paar frische rote Flecken im Gesicht, als hätte er sich gerade geekelt.
    Oh! Du trägst gelbe Schuhe! ruft er aus. Weißt du, wer immer gelbe Schuhe getragen hat? Hitler und Trotzki, Diktatoren tragen gelbe Schuhe, mein Lieber!
    Ich gehe nicht auf die Bemerkung ein und setze mich. Messerschmidt geht um mich herum und setzt die Kaffeemaschine in Gang.
    Wie gehts? Was machst du? fragen wir uns gegenseitig.
    Ich weiche aus und sage nur, daß ich mich so durchschlage.
    Soso, macht Messerschmidt.
    Und du, bist du zufrieden?
    Mir geht es sehr gut, sagt Messerschmidt. Ich kann kaum glauben, daß es mir so gut geht, so unwahrscheinlich kommt mir mein Leben vor.
    Die Kaffeemaschine röchelt, schwarzer Kaffee tröpfelt in die gläserne Kanne. Messerschmidt spült in einem winzigen Waschbecken zwei Tassen und trocknet sie ab.
    Du weißt doch, sagt er, welche ungeheuren Lebensverhinderer meine Eltern waren, das habe ich dir doch erzählt?
    Hat dein Vater nicht deine Mutter gezwungen, seine alten Unterhosen zuerst eine Weile als Staublappen und danach als Schuhputzlumpen zu verwenden?
    Mann! Hast du ein Gedächtnis! Genauso wars! ruft Messerschmidt. Meine ganze Jugend lang hatte ich den Eindruck, mich retten zu müssen, egal wo und egal wie. Und erst in diesen Jahren, stell dir das vor, ist dieses Gefühl endlich von mir gewichen. Ich bin ein bißchen verwirrt darüber, daß mir die Rettung geglückt ist. Ich lebe ganz und gar zurückgezogen. Weil ich mich gerettet habe, mag ich keinen Lärm. Und weil ich mich vor Leuten fürchte, die dauernd den Mund zu voll nehmen, mag ich keine Kultur. Ich brauche Ruhe, und diese Ruhe habe ich hier gefunden, beim Generalanzeiger.
    Messerschmidt schenkt Kaffee ein und lacht leise. Sein alter Bekenntniszwang ist wieder da, er redet, wie er immer geredet hat.
    Und du! ruft er aus.
    Ja, und ich, sage ich ein bißchen blöde.
    Nie werde ich vergessen, sagt Messerschmidt, wie du vor ungefähr achtzehn Jahren den Film Casablanca analysiert hast, erinnerst du dich?
    Ich schüttle den Kopf.
    Der Film ist deswegen so beeindruckend, hast du gesagt, sagt Messerschmidt, weil der Held eine Menge schwerer Entscheidungen trifft, die weitreichende Folgen haben. Er verläßt Menschen und Länder, er wechselt Identitäten, Frauen und politische Überzeugungen. Die Leute im Kino treffen aber immer nur kleine Entscheidungen, die folgenlos bleiben. Sie fragen sich höchstens, ob sie einen neuen Fernseher oder mal einen neuen Mantel brauchen, mehr ist bei denen nicht los. Mit anderen Worten, sagt Messerschmidt, im Leben der Leute, die im Kino sitzen, ist immer schon alles vorentschieden.
    Habe

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