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Ein reiner Schrei (German Edition)

Ein reiner Schrei (German Edition)

Titel: Ein reiner Schrei (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siobhan Dowd
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den Artikel las, der auf der Titelseite prangte. Er ergab überhaupt keinen Sinn. Sie las ihn noch mal.
RÄTSELHAFTER FUND TOTER BABYS
Im Zusammenhang mit dem Tod zweier Säuglinge, deren Leichen in der Umgebung von Castlerock, Grafschaft Cork, aufgefunden wurden, verhört die Garda Síochána ein nicht namentlich genanntes 16-jähriges Mädchen sowie ihren Vater. Das eine Kind, ausgesetzt an einem Strand, war Heiligabend von einer Frau entdeckt worden, die mit ihrem Hund spazieren ging. Das andere wurde gestern auf einem Feld unweit vom Haus des besagten Mädchens ausgegraben, offenbar auf Grund eines Hinweises, der von dem Mädchen selbst kam.
Wie Superintendent Dermot Molloy, der Leiter der Ermittlungen, berichtet, sitzt der Vater des Mädchens zurzeit noch in Untersuchungshaft und muss mit einem Verfahren rechnen. Er hat inzwischen ein neues Geständnis unterzeichnet, in dem er zugibt beide Kinder getötet zu haben, bei denen es sich anscheinend um Zwillinge handelt. Die Sechzehnjährige gilt als die Mutter der beiden, die Identität des Vaters muss noch geklärt werden. »Der Fall hat diese kleine Gemeinde, wo Dinge dieser Art bislang unbekannt waren, in einen Schockzustand versetzt«, sagt Superintendent Molloy. »In einem Land wie dem unsrigen, in dem man Kinder liebt, ist Infantizid ein furchtbares Verbrechen, und meine Aufgabe wird es sein, dafür Sorge zu tragen, dass die Täter die volle Härte des Gesetzes trifft.«
Aus Dublin ist ein Team hoch spezialisierter Gerichtsmediziner angerückt, um die beiden Babys zu untersuchen. »Sie werden bestätigen, dass es sich um Zwillinge handelt, und die Todesursache klären«, sagt Superintendent Molloy. »Dann können wir den Fall hoffentlich abschließen.«
    Die seltsamen Worte sprangen sie an. Infantizid. Gerichtsmediziner. Sie ließ die Zeitung zu Boden fallen.
    »Shell …«, sagte Jimmy. »Bist du das, über die die da reden?«
    Sie blickte in sein schmales, blasses Gesicht mit den tanzenden Sommersprossen darauf. Auf Grund eines Hinweises, der von dem Mädchen selbst kam. Sie warf sich lauthals lachend in ihr Kissen zurück. Allmächtiger. Beide Kinder getötet zu haben, bei denen es sich anscheinend um Zwillinge handelt. Zum Lachen, zum Heulen. Sie lachte weiter, bis sie Seitenstechen bekam.
    »Jimmy«, keuchte sie. »Das bin wirklich ich!«
    Er runzelte die Stirn, dann lächelte er, als hätte er gern mitgelacht und wüsste nicht, wie.
    »Zwillinge!«, prustete sie und kicherte hinauf zur Decke. Ihr Lachen schallte die Wände entlang.
    »Sei still, Shell! Mrs Duggan wird dich unten hören.«
    »Und wenn’s die Toten hören, ist mir doch egal. Zwillinge!« Sie erstickte fast. »Kannst du mich mal kneifen?«
    Er kniff sie.
    »Doller.«
    Er bekam ein gutes Stück von ihrem Oberarm zu fassen und kniff sie noch mal.
    »Kam ein Baby raus oder zwei, Jimmy?«
    »Eins.«
    »Sicher?«
    »Na klar.«
    »Schwörst du es?«
    »Ich kann doch wohl zählen, oder?«
    »Kannst du’s?«
    »Beim letzten Test hab ich neun von zehn Punkten gehabt, Shell.«
    »Zwillinge!«, heulte sie und hielt sich die Seite.
    »Hör auf, Shell. Hör auf zu lachen. Bitte.«
    »Morgen finden sie noch ein Baby. Dann werden es Drillinge!«
    »Sei still!«
    »Es ist ein Weihnachtsmärchen, Jimmy. Das Rätsel um die Babys von Coolbar. Das nächste wird bestimmt im Haus des Priesters gefunden!« Sie quiekte und hustete, ihre Augen tränten. »Okay, Jimmy, ich hör auf zu lachen.« Sie schluckte und presste die Lippen aufeinander. Zwillinge. Lachtränen waren ihr die Wangen hinuntergelaufen. Sie wischte sie ab und stieg aus dem Bett.
    »Eigentlich ist das aber gar nicht komisch, oder?«, sagte Jimmy.
    Das Baby auf dem Acker, das Baby in der Höhle. Ebbe und Flut. Die düsteren, unebenen Höhlenwände. Die Heiterkeit verließ sie, wie Luft, die durch das winzige Loch eines Ballons entwich. Sie schüttelte den Kopf. »Nein, Jimmy.« Sie wühlte nach ihren Sachen. »Es ist überhaupt nicht komisch. Es liegt an diesem Molloy. Er hat es irgendwie auf mich abgesehen.«
    »Aber Shell«, sagte Jimmy. »Ich versteh das nicht.«
    »Was verstehst du nicht?«
    »Wenn du ein Baby hattest, wo kam dann das andere her?«
    »Wer weiß? Vielleicht haben die Störche es dort abgeworfen.«
    Jimmy machte wieder sein Wangenzelt mit der Zunge. »Hmm.«
    »Oder vielleicht …«
    »Vielleicht was?«
    Sie antwortete nicht. Gedankenverloren zog sie unter ihrem Nachthemd die Jeans an, kämmte ihre Haare und sprühte sich Je

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