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Ein reiner Schrei (German Edition)

Ein reiner Schrei (German Edition)

Titel: Ein reiner Schrei (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siobhan Dowd
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Kommunion stand Theresa Sheehy in der Schlange dicht neben ihr, stieß sie mit dem Ellbogen in die Seite und deutete auf ihren eigenen Bauch. Shell verdrehte entnervt die Augen und zeigte die Zähne. Sie schaute in eine andere Richtung und bemerkte den Blick von Mrs McGrath. Die Frau starrte und drehte den Kopf weg, die Nase rümpfend. Shell schluckte die Hostie hinunter und setzte sich. Die Quinns, die die Letzten in der Schlange waren, liefen vorbei, nur Bridie war nicht bei ihnen. Von ihr fehlte jede Spur. Shell fiel wieder ein, was Theresa Sheehy ihr erzählt hatte. Es heißt, dass sie zu ihrer Tante gezogen ist, nach Kilbran. Ich denke, sie ist nach Amerika abgehauen. Zusammen mit Declan.
    Als die Messe beendet war, stahl sich Shell an der tuschelnden Menge vorbei hinaus und holte Mrs Quinn ein, die bereits draußen auf der Straße war. Sie entfernte sich eilig von der Kirche, zwei ihrer jüngeren Kinder hinter sich herschleifend, die an ihren Armbeugen hingen.
    »Mrs Quinn!«, rief Shell.
    Bridies Mutter fuhr herum und funkelte sie an. »Shell Talent. Was willst du denn?«
    Sie hatte einen kastanienbraunen Schal um den Kopf, aber ihr dunkles Haar quoll hervor, verdreckt und feucht. Die beiden Kleinen rannten weiter, den Berg hinauf. Die Frau blickte Shell an und wandte dann den Kopf ab, so als wäre sie Luft. Sie machte Anstalten zu gehen.
    »Mrs Quinn!« Shell berührte sie am Arm. »Ich wollte doch nur fragen … Wie geht es Bridie? Ich habe gehört, dass sie verreist war.«
    Die Frau sah sie an, als hätte Shell sie angespuckt. »Dann hast du richtig gehört. Sie ist in Kilbran, bei meiner Schwester May.«
    »Sie ist immer noch dort?«
    »So ist es. Es läuft sehr gut bei ihnen. Bridie ist seit dem Sommer dort gewesen und hilft bei den Bed-&-Breakfast-Gästen. Sie macht ein Praktikum.«
    »Geht es ihr gut?«
    Mrs Quinn rümpfte die Nase. »Recht gut. Wir haben sie über Weihnachten besucht. Als die Schule zu Ende war, sind wir alle zu Tante May gefahren, einfach mal zur Abwechslung. Und Bridie fühlte sich wohl dort. Bestens.« Mrs Quinn starrte sie feindselig an, schüttelte Shells Arm ab und zog ihren Schal enger um sich. »Wir haben sie hingeschickt, um sie von deinesgleichen zu entfernen.«
    »Von mir?«
    »Du bist kein guter Umgang, Shell. Weder für sie noch für irgendjemanden hier in Coolbar. Wenn ich doch nur gewusst hätte, was für Dinge ihr zwei zusammen ausgeheckt habt. Wenn ich es früher gewusst hätte, dann …«
    »Was dann, Mrs Quinn?«
    Bridies Mutter antwortete nicht. Ihre Augen durchbohrten Shell, als wäre sie der Fleisch gewordene Satan. Dann füllten sich ihre Augen plötzlich mit Tränen. Mrs Quinn wandte sich ab. Eine Weile stand sie da, Shell den Rücken zugewandt, und starrte zu Boden, als würde sie vergeblich nach etwas suchen. Ihre Schultern waren hochgezogen, ihre Hände steckten in den Taschen ihres Regenmantels. »Ich muss mich um den Braten kümmern«, murmelte sie vor sich hin und ging weiter, sie stolperte fast. Mrs Quinn flüchtete den Hang hinauf, genau wie Bridie es damals getan hatte, mit ihrem durchsichtigen Schirm in der Hand. Shell starrte ihr verwirrt nach. Andere Kirchgänger strömten aus dem Portal auf den Bürgersteig hinaus, drängten sich murmelnd an ihr vorbei. Shell lief die Straße hinunter, stieg in den Wagen der Duggans und wartete. Während des Gottesdienstes hatte es geregnet und wieder aufgehört und die Autofenster waren voller Tropfen. Die Leute gingen vorbei, warfen verstohlene Blicke hinein, glotzten, als wäre sie ein Ausstellungsstück. Sie stülpte die Lippen vor und schnappte nach Luft wie ein Goldfisch, mit geschlossenen Augen. Declan fiel ihr wieder ein, wie er sie damals beim Singen in der Kirche nachgemacht hatte. Es schien Ewigkeiten her zu sein. Ist mir egal.
    Dies also zu ihrer Vermutung, Bridie würde durch Amerika touren, auf der Suche nach dem großen Erfolg. Oder gemeinsam mit Declan New York unsicher machen. Bridie mit der Körbchengröße 34D. Bridie, Bridie, Bridielein. Aber Theresa Sheehy hatte sich geirrt. Und das mit der Tanzparty und dass sie Bridie im August gesehen hätte, war gelogen gewesen. Bridie und Declan hatten sich nicht auf der Tanzfläche verrenkt wie zwei Katzen auf einer heißen Herdplatte. Nichts davon hatte gestimmt. Bridie war in Kilbran, zum Glück. Dort machte sie die Betten und schwatzte mit den Gästen. Drehte den Toast in der Pfanne und holte die Pommes aus dem Fett. Sie würde umkommen vor

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