Ein reines Gewissen
alle anderen. Dann haben wir sie verloren.«
»Und die Kinder dazu«, ergänzte Fox leise.
»Was?«
»Es geht doch um die Kinder, oder? Kinderschutz?« »Genau«, sagte Gilchrist. »Genau«, wiederholte Annie Inglis.
Ein paar Schritte vor dem Büro der Inneren blieb Fox stehen. Er hatte sein Jackett wieder angezogen und fuhr sich, nur um irgendetwas zu tun, mit den Fingern am Revers entlang. Er dachte über DS Anthea Inglis (die lieber Annie genannt werden wollte) und ihren Kollegen Gilchrist nach - von dem er nicht einmal den Rang oder Vornamen wusste. Und über das ganze Chop-Shop-Ding. Die PSU mochte zwar als die »dunkle Seite« gelten, aber er hatte den Eindruck, dass Inglis und ihr Kollege jeden Tag in eine Finsternis schauten, wie er sie niemals kennenlernen würde. Dessen ungeachtet legten sie eine gewisse Großspurigkeit an den Tag. Bei der PSU wusste man, dass alle einen hassten, aber mit der CEOP verhielt es sich anders. Die Polizeikollegen schreckte der bloße Gedanke an das, was man in 2.24 täglich zu sehen bekam, sie mieden einen, weil sie sich genau davor fürchteten. Ja, das war's: Der Chop Shop war gefürchtet. Richtiggehend gefürchtet, anders als die Innere. Was hinter der verschlossenen Tür von 2.24 an Albträumen und Schreckgespenstern lauerte, genügte für ein ganzes Leben.
»Malcolm?« Die Stimme kam von hinten. Er drehte sich um und sah Annie Inglis mit verschränkten Armen und leicht ausgestellten Beinen da stehen. Dann kam sie auf ihn zu, ohne den Blick von ihm abzuwenden. »Hier«, sagte sie und hielt ihm in der ausgestreckten Hand etwas hin. Es war ihre Visitenkarte. »Da stehen meine Handynummer und meine E-Mail-Adresse drauf, nur für den Fall.«
»Danke«, sagte er, während er vorgab, die Zeilen zu studieren. »Ich habe gerade ...«
»Einfach hier rumgestanden?«, mutmaßte sie. »Und über alles nachgedacht?«
Er holte seine Brieftasche hervor und ließ eins seiner eigenen Kärtchen herausgleiten. Sie nahm es mit einem leichten Kopfnicken entgegen, drehte sich um und ging den Flur hinunter zurück. Sehr elegant, fand er. Eine Frau, die sich ihrer Stärken bewusst ist und sich in ihrer Haut wohl fühlt. Eine, die weiß, dass sie gemustert wird. Hübscher Arsch noch dazu.
Im Büro der PSU ging es nun viel lauter zu. Bob McEwan saß an seinem Schreibtisch und telefonierte. Als er Fox sah, gab er ihm mit einem Nicken zu verstehen, dass er ruhig näherkommen könne. McEwans Schreibtisch war immer aufgeräumt, aber wie Fox wusste, lag es daran, dass alles regelmäßig in diversen Schubladen verstaut wurde. Tony Kaye hatte dort einmal nach einer Paracetamol gesucht und Fox und Naysmith gerufen, um ihnen etwas zu zeigen.
»Die reinste Archäologie«, hatte Joe Naysmith bemerkt. »Schicht auf Schicht...«
McEwan legte auf und begann, sich in seiner kaum lesbaren Handschrift eine Notiz zu machen. »Wie lief's?«, fragte er leise.
Fox stützte sich mit den Fingerknöcheln auf den Schreibtisch und beugte sich zu seinem Chef vor. »Gut«, sagte er. »Es lief gut. Habe ich Ihr Okay?«
»Kommt drauf an, was Sie meinen.«
»Erst einmal ein Background-Check, danach, falls nötig, Personenüberwachung.«
»Was ist mit seinem Computer?«
»Das Wichtigste zuerst.«
»Hat man Sie gebeten, mit ihm zu sprechen?«
»Ich weiß nicht, ob das eine so gute Idee ist. Er könnte mit Heaton befreundet sein.«
»Genau das habe ich auch gedacht«, sagte McEwan, »und deshalb eine kleine Unterredung geführt.«
Fox' Augen verengten sich. »Mit wem?«
»Jemandem, der Bescheid weiß.« Da er spürte, dass Fox versuchte, die handgeschriebene Notiz zu entziffern, drehte McEwan sie um. »Breck und Heaton sind eher Rivalen als Kumpel. Damit haben Sie Ihren Vorwand.«
»Aber unsere Ermittlungen gegen Heaton sind unter Dach und Fach.«
»Fürs Erste ja, aber wer weiß das schon genau?« »Und Sie stehen hinter mir? Zeichnen den Papierkram ab?« »Was immer Sie brauchen. Der DCC ist auch schon eingeweiht.«
Der Deputy Chief Constable hieß AdamTraynor, seine Einwilligung war für alle verdeckten Ermittlungen im kleinen Stil erforderlich. McEwans Telefon klingelte, und er legte die Hand auf den Hörer, bereit abzuheben, den Blick aber immer noch auf Fox gerichtet. »Ich überlasse es Ihnen, Foxy.« Dann, als Fox sich aufrichtete, um zu gehen: »Wie war überhaupt Ihr langes Wochenende?«
»Habe mir zwei Nächte in Monaco gegönnt«, erwiderte Fox.
Als er an Tony Kayes Schreibtisch vorbeiging,
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