Ein reines Gewissen
kleine Augen, die aus seinem fleischigen Gesicht herausstarrten, durchbohrten sein Gegenüber. Und obwohl Fox sich innerlich dagegen wehrte, wand er sich auf seinem Stuhl.
»Ich wusste, dass sie eine turbulente Beziehung hatten.«
Giles schnaubte. »Sie sind nicht hier, um eine verdammte Liebesschnulze zu schreiben!«
»Jude hat immer gesagt, sie habe ihm Paroli geboten.«
»Was es nicht besser macht, Inspector. Wie mir scheint, haben Sie sich davor gedrückt, sich einzumischen. Haben Sie Faulkner nie beiseitegenommen, um mal ein Wörtchen mit ihm zu reden?«
»Nach der Sache mit dem Arm hätte ich es getan, wenn es eine Gelegenheit gegeben hätte.«
»Womit wir wieder bei meiner ursprünglichen Frage wären: »Wann haben Sie es erfahren?«
»Am Montagnachmittag rief mich eine Nachbarin an.«
Giles nickte langsam. »Mrs. Pettifer«, konstatierte er. Klar, logisch, dass sie auch vernommen worden war ... »Ich nehme an, dass Sie sich dann auf die Suche nach ihm begeben haben?«
»Nein.« Fox senkte den Blick auf seine im Schoß gefalteten Hände.
»Nein?« Giles klang nicht überzeugt.
»Was hätte das genützt? Er war doch bereits tot, oder?«
»Kommen Sie schon, Fox, Sie wissen, dass der Todeszeitpunkt nie exakt festzulegen ist ... Ein paar Stunden Abweichung sind immer möglich.«
»Ist er am Montag bei der Arbeit erschienen?«
Giles zögerte einen Augenblick, bevor er antwortete, er wog ab, was Fox wissen durfte und was nicht. Am Ende schüttelte er den Kopf.
»Was hat er denn dann gemacht? Wo hat er sich von Samstag an versteckt? Jemand muss ihn gesehen haben.«
»Wer immer ihn umgebracht hat, hat ihn gesehen.«
»Sie denken nicht im Ernst, dass es Jude war.«
Giles schürzte die Lippen, zog die Hände aus den Taschen und verschränkte sie hinter dem Kopf. Dadurch begann sein Hemd zu spannen, und durch die Lücken, die sich zwischen den Knöpfen auftaten, blitzte ein weißes Netzunterhemd hervor. Der Raum kam Fox warm vor. Wahrscheinlich hielten sie ihn mit Absicht stickig, damit Verdächtige sich nicht allzu wohl fühlten. Seine Kopfhaut juckte, dort sammelte sich der Schweiß. Wenn er aber kratzte oder wischte, würde Giles glauben, die Vernehmung gehe ihm an die Nieren.
»Ich habe Faulkner auf dem Seziertisch gesehen«, sagte der Detective Chief Inspector gerade. »Hatte jede Menge Muskeln. Womöglich hätte eine einarmige, junge Alkoholikerin von gerade mal fünfzig Kilo ihn tatsächlich nicht k.o. schlagen können.« Giles lauerte auf eine Reaktion. »Es könnte ihr aber auch jemand geholfen haben.«
»Im Haus werden Sie nichts finden.« Irgendwo knallte eine Tür zu. Draußen stand ein Lastwagen oder Bus mit laufendem Motor, was die Milchglasscheibe in ihrem Rahmen scheppern ließ.
»Jede Menge Anzeichen für eine chaotische Lebensweise«, fuhr Giles fort. »Und das, obwohl jemand versucht hat aufzuräumen.«
»Das war die Nachbarin; sie hat es aus Gefälligkeit getan.«
»Ich unterstelle nicht, dass jemand versucht hat, Spuren zu verwischen.« Giles lächelte kalt. »Wie entwickelt sich eigentlich Ihre Anklage gegen Heaton?«
»Ich hatte mich schon gefragt, wann das kommen würde ...«
»Er ist hochzufrieden, wissen Sie - suspendiert bei vollem Gehalt, kann zu Hause die Füße hochlegen, während wir morgens bibbernd das Eis von der Windschutzscheibe kratzen.« Giles' fleischige Hände ruhten nun auf dem Tisch. Er beugte sich über sie. »Und am Ende wird man ihn entlasten.«
»Ich schone Heaton, und Sie lassen meine Schwester in Ruhe?«
Giles bemühte sich um gespielte Empörung. »Habe ich das gesagt? Ich glaube nicht, dass ich es gesagt habe.« Er hielt inne. »Allerdings muss ich zugeben, dass es mir durchaus vorkommt wie ... ja was nur? Ironie? Ausgleichende Gerechtigkeit?«
»Ein Mann ist tot, falls Sie das vergessen haben sollten.«
»Ich habe es nicht vergessen, Inspector. Da können Sie sich absolut sicher sein. Jede Einzelheit aus Faulkners Leben wird von meinen Leuten genau unter die Lupe genommen. Ihre Schwester wird sich an Fragen und nochmals Fragen gewöhnen müssen. Die Medien sind ebenfalls interessiert, sodass die Arme vermutlich irgendwann gar nicht mehr an die Tür oder ans Telefon gehen wird.«
»Lassen Sie das nicht an ihr aus«, sagte Fox ruhig.
»Oder Sie erstatten Anzeige?« Giles lächelte. »Na, wäre das nicht das Tüpfelchen auf dem i?«
»Sind wir fertig?« Fox stand langsam auf. »Vorläufig ja, es sei denn, es gibt noch etwas, was Sie mir sagen
Weitere Kostenlose Bücher