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 Ein reines Gewissen

Ein reines Gewissen

Titel: Ein reines Gewissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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begab.
    »Soeben von der Gestapo zurück ...« Sie brach ab und starrte ihn mit aufgerissenen Augen an, denn gerade war ihr eingefallen, womit Judes Bruder sein Geld verdiente.
    »Ich habe schon Schlimmeres zu hören bekommen«, versicherte er ihr.
    »Sie war völlig fertig und dachte, ein Schläfchen würde ihr vielleicht guttun.«
    Fox nickte verständnisvoll. Als er den Deckel des Küchenabfalleimers aufklappte, sah er, dass jemand den Müllbeutel entfernt hatte. In ihrem Labor in Howdenhall waren die Kriminaltechniker sicher gerade damit beschäftigt, seinen Inhalt eingehend zu studieren.
    »Ich weiß es zu schätzen, dass Sie sich um sie kümmern.«
    Sandra zuckte die Achseln. »Meine Schicht geht erst um vier los.«
    »Wo arbeiten Sie?«
    »Im Asda-Supermarkt auf der Chesser Avenue.« Sie bot ihm ein Kaugummi an, doch er schüttelte den Kopf. Die leeren Flaschen und Dosen waren weg und die Aschenbecher geleert. Die Frühstückstheke wies jetzt nur noch zwei schmutzige Kaffeebecher und eine Pizzaschachtel auf.
    »Sind Sie Vince je begegnet?«, fragte Fox.
    »Wir sind öfter zu viert ausgegangen.«
    »Sie und Ihr Partner?«
    »Er arbeitet mit Vince.« Sie hielt inne, hörte auf zu kauen. »Hat mit ihm gearbeitet.« »Er ist also auf dem Bau?«
    Sie nickte. »Vorarbeiter - Vince' Boss, nehm ich mal an.«
    »Dann war es Ihr Partner, der Vince eingestellt hat?«
    »Mein Ehemann. Seit sechzehn Jahren. So viel würde man nicht mal für Mord bekommen, sagt Ronnie immer.«
    »Da dürfte er recht haben. Also kannten Sie und Ronnie Vince ganz gut?«
    »Vermutlich.«
    »Schon mal in einem Lokal namens Marooned gelandet?«
    »Diesem Drecksloch? Nur wenn es sich nicht vermeiden ließ. Als das Wetter noch besser war, sind die Jungs gerne in die Golf Tavern gegangen - da konnten sie auf den Bruntsfield Links Pitch and Putt spielen.«
    »Sie und Jude haben nicht gespielt?«
    »Abendessen und ein paar Runden Roulette oder Siebzehnundvier, das ist eher nach meinem Geschmack.« »Welches Casino?« »Das Oliver.«
    »Am Ocean Terminal?« Er hatte seinen Rundgang beendet und stand jetzt mitten im Zimmer, den Blick auf sie gerichtet, während sie den Fernseher anstarrte.
    »Genau das.«
    »Also nicht weit vom Salamander Point.« »Einen Steinwurf entfernt.«
    Fox nickte vor sich hin. »Was hielten Sie von ihm, Sandra?« Bei der Erwähnung ihres Namens blickte sie zu ihm auf.
    »Vince, meinen Sie?« Sie dachte über seine Frage nach. »Er war in Ordnung, ein kleiner Komiker, wenn man ihn in der richtigen Stimmung erwischte.« »Und sonst?«
    »Ich wusste, dass er aufbrausend war - aber was das angeht, ist Jude auch nicht gerade ein Engel.«
    »Was sagen Sie dazu, dass er ihr den Arm gebrochen hat?«
    »Sie ist gestürzt, sagt sie.«
    »Wir wissen beide, dass das nicht stimmt.«
    »Mein Motto lautet: Misch dich nicht ein, das bringt nur unnötig Kummer.« Ihr Interesse an ihm ließ nach. Auf dem Bildschirm machte der Hundetrainer offensichtlich Fortschritte.
    »Aber Sie sind ihre Freundin ... Sie müssen doch ...« Fox verstummte und dachte: Du bist ihr Bruder, und du hast nicht. »Ich gehe jetzt rauf«, sagte er stattdessen.
    Sandra nickte zerstreut. »Ich hätte Ihnen ja einen Tee gekocht, aber wir haben keinen mehr.«
    Die Tür zu Vince' Reich stand weit offen, und Fox sah, dass die Ermittler den Computer mitgenommen hatten. Judes Schlafzimmertür war nur angelehnt. Er klopfte an und schob sie ganz auf. Seine Schwester saß, umgeben von Kleiderstapeln, auf dem Bett. Den Einbauschrank hatten sie halb geleert, ebenso die Kommode. Alles Faulkners Klamotten: seine Jeans und T-Shirts, Socken und Unterhosen. In ihrer nicht eingegipsten Hand hielt Jude ein kurzärmliges Hemd, dessen Stoff sie mit den Fingern knetete. Schniefend kämpfte sie mit den Tränen.
    »Ich kann ihn immer noch riechen, auf den Laken, den Kissen ... Ein Teil von ihm ist immer noch hier.« Sie hielt einen Moment inne und warf ihrem Bruder einen Blick zu. »Weißt du, was sie mir gesagt haben, Malcolm? Sie haben gesagt, wir können ihn noch nicht beerdigen. Sie müssen seine Leiche noch behalten. Kann Wochen dauern, meinen sie. Niemand weiß, wie lang.«
    Fox ließ sich auf einer freien Ecke des Bettes nieder, ohne etwas dazu zu sagen.
    »Sandra meint, wir müssen anfangen, uns um ein paar Sachen zu kümmern, und die zuständigen Behörden benachrichtigen. Aber was ist danach noch von ihm übrig?« Wieder schniefte sie und fuhr sich mit dem Unterarm über die Augen.

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