Ein reizvolles Angebot
stützte sich mit beiden Händen auf den Tisch und beugte sich zu dem Notar. „Richards, Sie müssen doch einsehen, dass das unmöglich das Testament eines Mannes sein kann, der seine Sinne beisammen hatte.“
„Er war nicht verrückt“, antwortete Mitch, bevor Richards etwas sagen konnte. „Er war vollkommen klar, sonst hätte ich es gemerkt. Schließlich habe ich jeden Tag mit ihm zusammengearbeitet. Und wenn du hier gewesen wärst, wäre dir auch nichts Ungewöhnliches an ihm aufgefallen.“
Ein leiser Vorwurf schwang in Mitchs letztem Satz mit.
Nadia stimmte ihrem Bruder zu. „Wir wissen alle, wie Dad war: starrsinnig, unsensibel, rücksichtslos – such es dir aus. Nur eines war er ganz sicher nicht: verrückt.“
Rand drehte sich zu seinem Bruder um. „Und warum sagst du nichts dazu, Mitch? Du bist doch eigentlich an der Reihe, Boss der Kincaid Cruise Lines zu werden.“
Resigniert zuckte Mitch die Achseln. „Was soll’s. Dad wollte dich.“
Rand stieß einen verächtlichen Laut aus. „Du warst immer seine erste Wahl. Ich war bloß sein Fußabtreter.“ Er wandte sich an seine Schwester: „Diese Einer-für-alle-Nummer ist doch einfach lächerlich. Sein ganzes Leben hat er damit verbracht, uns gegeneinander auszuspielen.“
„Tja, und nun sieht es so aus, als wollte Dad uns zu guter Letzt doch zusammenbringen“, erwiderte Nadia.
Richards machte sich mit einem Räuspern bemerkbar und schaltete sich in das Gespräch ein: „Ich möchte anmerken, dass Everett Kincaid vor allem in den letzten Monaten seines Lebens eingestanden hat, dass er Fehler gemacht hat. Er hegte aber die große Hoffnung, dass seine Kinder ihm einmal helfen würden, diese Fehler wiedergutzumachen.“
„Wahrscheinlich hatte er Angst, sonst in aller Ewigkeit in der Hölle zu schmoren. Und das zu Recht“, erwiderte Rand gereizt. Trotzdem war ihm klar, dass er in der Falle saß. Sein Vater hatte es wieder einmal geschafft, ihn genau dahin zu bekommen, wo er ihn haben wollte.
Was immer du mit deinen Spielchen bezweckst, alter Mann – dieses Mal sorge ich dafür, dass du nicht damit durchkommst.
Auch wenn das bedeutete, Tara Anthony wiederzusehen.
Rand straffte die Schultern und sah Mitch an. „Ich mache es. Ich übernehme den Chefsessel bei KCL. Und ich werde Tara ein Angebot machen, das sie nicht ausschlagen kann.“
1. KAPITEL
Die Türklingel schrillte durch die hohe Eingangshalle. Tara Anthony, die gerade dabei war, nach einem anstrengenden und eintönigen Arbeitstag ihre Pumps abzustreifen, hielt inne. Einen Augenblick erwog sie, das Klingeln zu ignorieren. Aber es war zwecklos. Sie war gerade erst angekommen, und wer immer vor der Tür stand, musste gesehen haben, wie sie ins Haus gegangen war. Seufzend hielt sie sich am Geländerpfosten fest und zog sich die Schuhe wieder an. Ungeduldig wurde ein weiteres Mal geklingelt.
Wahrscheinlich war das wieder einer dieser Grundstücksmakler, die ihr schon seit geraumer Zeit die Tür einrannten, um ihr das Haus abzuschwatzen, dachte Tara. Das Viertel von Miami, in dem Taras Haus lag, wurde als Wohngegend immer beliebter, und deshalb war Baugrund sehr gefragt. Aber Tara wollte nicht verkaufen. Und sie konnte es auch nicht. Sie hatte ihrer Mutter versprochen, das Haus zu behalten. Für alle Fälle …
Widerwillig ging sie zur Tür, bereit, den Besucher, wer immer es war, so schnell wie möglich abzuwimmeln, damit sie endlich zu ihrem wohlverdienten Feierabend kam, für den sie sich ein leckeres Eis zum Abendessen und ein entspannendes Vollbad vorgenommen hatte.
Als sie die Tür öffnete und den groß gewachsenen, breitschultrigen und gut aussehenden Mann vor sich sah, blieb ihr der Mund offen stehen.
„Rand“, rief sie fassungslos aus und wich vor Schreck einen Schritt zurück.
Rand Kincaid trug einen taubengrauen maßgeschneiderten Anzug und eine bordeauxrote Seidenkrawatte. Eine leichte Abendbrise fuhr ihm durch das dunkelbraune Haar. Kritisch musterte er Tara von Kopf bis Fuß.
Die widersprüchlichsten Gefühle stürzten auf Tara ein. Scham, Schmerz, ohnmächtige Wut, unverhofft aber auch eine freudige Erregung. Tara war völlig verwirrt. Am meisten irritierte sie, dass sie sich zurückhalten musste, um dem unerwarteten Besucher nicht gleich um den Hals zu fallen.
„Darf ich hereinkommen?“
Seine tiefe männliche Stimme ging ihr immer noch durch und durch. Dabei waren die letzten Worte, die sie von ihm gehört hatte, alles andere als freundlich gewesen. Tara
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