Ein reizvolles Angebot
Fenster, das nach hinten zum Garten hinausging. Tara hatte die Vorhänge noch nicht zugezogen. Vor den Scheiben sah man Glühwürmchen tanzen.
„Was meinst du damit?“, fragte sie vorsichtig.
Er drehte sich wieder zu ihr um, und sie erschrak über seinen hasserfüllten Blick. „Mein Vater hatte schon immer die bemerkenswerte Fähigkeit, bei Frauen herauszufinden, welches ihre wunden Punkte sind, und diese dann bedenkenlos für sich auszunutzen.“
„Ich finde nicht, dass er …“
Rand trat dicht vor sie und nahm sie bei den Schultern. „Hör auf, ihn zu glorifizieren“, unterbrach er sie barsch. „Er war ein alter Schweinehund. Wenn du ehrlich bist, müsstest du das einsehen. Du bist doch sonst nicht so unkritisch.“
Tara wich vor ihm zurück. Die Heftigkeit seiner Reaktion erschreckte sie. „Ich kann nur danach urteilen, wie ich ihn erlebt habe und wie er mich behandelt hat.“
Ihre Antwort schien Rand nicht zu besänftigen, im Gegenteil. Er ließ ihre Schultern los und sah sie zornig an. „Ich muss noch telefonieren. Gute Nacht“, sagte er knapp. Damit drehte er sich um und verließ das Zimmer.
Tara stand eine Zeit lang wie betäubt da. Dann ging sie in die Küche, ordnete die Papiere, die über den Küchentisch verstreut lagen, und steckte sie in einen großen braunen Umschlag. Aber sie kam in ihren Gedanken nicht von dem los, was Rand gerade gesagt hatte.
Mutlos sank sie auf einen Stuhl und stützte die Stirn in die Hände. Es war so viel Unruhe in ihr Leben gekommen, seitdem Rand wieder aufgetaucht war. Er hatte nicht nur ihre Gefühle aufgewühlt, sondern auch alles durcheinandergebracht, woran sie fest geglaubt hatte. Nie wäre sie auf den Gedanken gekommen, dass Everett in allem nur seinen Vorteil suchte und nichts aus reiner Großzügigkeit tat. Was hatte Rand gesagt? An allem klebt für Everett ein Preisschild. War es keine selbstlose Geste gewesen, dass Everett ihr angeboten hatte, ihrer Mutter jede medizinische Hilfe zukommen zu lassen? War sie, Tara, nicht einfach nur zu schwach und zu egoistisch gewesen, diese Hilfe anzunehmen?
Tara rief sich das letzte Gespräch in Erinnerung, das sie mit Everett gehabt hatte. Konnte ihr etwas entgangen sein?
Rand wird dich nie heiraten, meine Liebe. Er kommt nicht zu dir zurück, und er wird dir auch in deiner jetzigen Lage nicht helfen. Also lass mich dir helfen, Tara. Ich wer de die besten Fachärzte auftreiben, die es gibt. Deine Mutter wird eine erstklassige Betreuung und Versorgung bekom men. Ich möchte wirklich etwas dazu beitragen, ihre Leiden zu lindern. Und ich verlange nicht viel dafür. Das Einzige, was ich möchte, ist, dass du zu mir nach Kincaid Manor kommst und bei mir bist. Ich bin ein einsamer alter Mann und möchte noch einmal jemanden an meiner Seite haben. Du musst verstehen, dass ich nicht noch einmal heirate. Ich will das, was ich aufgebaut habe, in vollem Umfang mei nen Kindern erhalten. Aber wir beide sind auch so ein gutes Team. Du stehst mir bei, und ich stehe dir bei …
All das klang ehrlich. Was Everett über seine Einsamkeit gesagte hatte, hatte Tara gerührt. Er hatte ihr offen und fair erklärt, was er von ihr erwartete. Sie hatte Everett in ihrer Zusammenarbeit schätzen gelernt und große Hochachtung vor ihm. Sie konnte sich damals nicht vorstellen, dass er etwas tun könnte, was sie verletzte. Sie war so erschüttert von seinem Angebot und so verwirrt, dass es ihr die Sprache verschlagen hatte.
Everett hatte sie in die Arme genommen, sie erst väterlich auf die Stirn und auf die Schläfen geküsst. Dann aber hatte er ihre Lippen gesucht und begonnen, sie zu streicheln.
Ohne nachzudenken, hatte Tara Everett von sich gestoßen. Sie war angewidert gewesen. Es war ihr unmöglich, seine Berührungen noch eine Sekunde länger zu ertragen. Sie liebte Rand noch immer. Allein der Gedanke, etwas mit seinem Vater anzufangen, verursachte ihr Übelkeit. Und trotzdem hatte sie sich nie verzeihen können, dass sie ihrer Mutter dieses Opfer nicht gebracht hatte.
8. KAPITEL
Rand saß auf der Bettkante und grübelte. Er musste daran denken, was Tara ihm erzählt hatte. Sie hatte ihr Haar abgeschnitten, damit ihre Mutter sich eine Perücke machen lassen konnte. War eine Frau, bereit, sich einem alten Mann an den Hals zu werfen, um an seine Millionen zu kommen, zu so einer noblen Tat fähig?
Gut, es waren nur Haare, die wieder nachwuchsen, kein großes Opfer also. Aber Frauen tickten da anders – gerade wenn es um ihr Haar
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