Ein Rest von Schuld - Rankin, I: Rest von Schuld - Exit Music
dann aber wieder zurück in die Bar, um den Anruf zu erledigen.
»Sie haben sich ja Zeit gelassen«, sagte Cafferty zur Begrüßung. Er stand auf derselben Fußgängerbrücke über den Kanal, die Hände in den Taschen seines langen Kamelhaarmantels vergraben.
»Wo ist Ihr Auto?«, fragte Rebus mit einem Blick auf das menschenleere unbebaute Grundstück hinter ihm.
»Ich bin gelaufen. Sind bloß zehn Minuten.«
»Und keinen Bodyguard?«
»Nicht nötig«, erklärte Cafferty.
Rebus steckte sich eine weitere Zigarette an. »Sie wussten also, dass ich neulich nachts hier war?«
»Sergeis Fahrer hat Sie erkannt.« Der Mann, der Rebus an dem Abend im Hotel mit Blicken durchbohrt hatte. »Sind Sie uns bis nach Granton gefolgt?«
»Es war eine schöne Nacht für eine Spazierfahrt.« Rebus versuchte, Cafferty Rauch ins Gesicht zu blasen, aber die Brise riss ihn mit sich fort.
»Es ist alles absolut sauber. Sie können uns folgen, wohin Sie wollen.«
»Danke, werd ich tun.«
»Sergei liebt Schottland, mehr steckt letzten Endes nicht dahinter. Sein Dad hat ihm früher die Schatzinsel vorgelesen. Ich musste mit ihm zu den Queen Street Gardens fahren. Der Teich dort soll Robert Louis Stevenson auf die Idee zu dem Buch gebracht haben.«
»Faszinierend.« Rebus starrte auf die spiegelglatte Oberfläche des Kanals. War vielleicht nur einen Meter tief, oder knapp darüber, aber er hatte schon von Männern gehört, die darin ertrunken waren.
»Er überlegt sich, mit seinen Unternehmen hierher umzuziehen«, sagte Cafferty.
»Ich wusste gar nicht, dass wir so viele Zinn- und Zinkbergwerke haben.«
»Na ja, vielleicht nicht mit allen seinen Unternehmen.«
»Ich versteh wirklich nicht, was er sich davon verspricht. Es ist ja nicht so, dass wir kein Auslieferungsabkommen mit Russland hätten.«
»Sind Sie da so sicher?«, fragte Cafferty mit einem spöttischen Lächeln. »Aber egal, wir gewähren ja auch politisches Asyl, oder?«
»Ich bezweifle, dass Ihr Kumpel da große Chancen hätte.«
Cafferty lächelte wieder.
»An dem Abend im Hotel«, bohrte Rebus nach, »Sie und Todorow, dann Sie und Andropow, dazu ein Minister namens Bakewell … worum ging’s da wirklich?«
»Ich dachte, ich hätte es Ihnen schon erklärt – ich hatte keine Ahnung, wer das war, dem ich den Drink spendiert habe.«
»Sie wussten nicht, dass Todorow und Andropow zusammen aufgewachsen waren?«
»Nein.«
Rebus schnippte Asche in die Luft. »Also, was hatten Sie mit dem Minister für Wirtschaftsentwicklung zu bereden?«
»Ich wette, Sie haben Sergei das auch schon gefragt.«
»Was glauben Sie, was er geantwortet hat?«
»Er hat Ihnen wahrscheinlich gesagt, dass wir uns über Wirtschaftsentwicklung unterhalten haben – was zufällig die Wahrheit ist.«
»Sie scheinen an jeder Menge Grundstücke interessiert zu sein, Cafferty. Andropow stellt das Geld bereit, Sie agieren als sein Makler?«
»Alles völlig legal.«
»Weiß er von Ihrer Vorgeschichte als Mietskasernenbesitzer? Überfüllte Wohnungen, Verstöße gegen Brandschutzbestimmungen, geklaute und widerrechtlich eingelöste Sozialhilfeschecks …«
»Sie klammern sich wirklich an jeden Strohhalm, was? Man könnte glatt meinen, Sie wären da drin.« Cafferty deutete auf den Kanal.
»Ihnen gehört eine Wohnung in der Blair Street, die ist an Nancy Sievewright und Eddie Gentry vermietet.« Nur an die beiden, dachte Rebus; ungewöhnlich für eine von Caffertys Feuerfallen. »Nancy ist mit Sol Goodyear befreundet«, fuhr er fort, »so gut befreundet sogar, dass sie ihren Stoff von ihm bekommt. Am selben Abend, an dem sich Sol am Haymarket niederstechen lässt, stolpert Nancy am unteren Ende von Sols Gasse über Todorows Leiche.« Rebus’ Gesicht war jetzt dicht vor dem des Gangsters. »Können Sie mir so weit folgen?«, zischte er.
»Nicht so richtig.«
»Und jetzt möchte das Konsulat Todorows Leiche verschwinden lassen.«
»Diese Strohhalme, von denen ich sprach, Rebus – allmählich komme ich mit dem Zählen nicht mehr mit.«
»Das sind keine Strohhalme, Cafferty, das sind Ketten, und jetzt raten Sie mal, um wen sie sich zu winden scheinen?«
»Vorsicht«, mahnte Cafferty. »Bei einer solchen Ausdrucksweise könnten Sie sich bald selbst aufs Dichten verlegen.«
»Das Problem ist, dass mir auf ›Cafferty‹ kein anderes Reimwort einfällt als ›gemeingefährlicher Mistkerl‹.«
Der Gangster bleckte grinsend ein kostspieliges Gebiss. Dann sog er schnüffelnd die Luft ein
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