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Ein Rest von Schuld - Rankin, I: Rest von Schuld - Exit Music

Ein Rest von Schuld - Rankin, I: Rest von Schuld - Exit Music

Titel: Ein Rest von Schuld - Rankin, I: Rest von Schuld - Exit Music Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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und schlenderte zur anderen Seite der Brücke. »Ich bin nicht weit von hier aufgewachsen, wussten Sie das?«
    »Ich dachte, in Craigmillar.«
    »Aber ich hatte eine Tante und einen Onkel in Gorgie, die passten auf mich auf, wenn meine Mum in der Arbeit war. Dad hatte sich abgesetzt, einen Monat bevor ich fällig war.« Er wandte sich Rebus zu. »Sie sind nicht in der Stadt aufgewachsen, oder?«
    »Fife«, antwortete Rebus.
    »Dann werden Sie sich nicht an den Schlachthof erinnern. Manchmal kam’s vor, dass ein Stier abhaute. Dann wurde Alarm gegeben, und wir Kinder mussten im Haus bleiben, bis der Scharfschütze kam. Ich weiß noch, wie ich einmal vom Fenster aus zugeschaut habe. Ein ungeheuer riesiges Vieh war das, stieß Rotz und Dampf aus und rannte sich die Beine aus dem Leib beim bloßen Anblick dieser ganzen gottverdammten Freiheit.« Er schwieg kurz. »Genau bis zu dem Moment, als der Mann mit der Knarre sich mit einem Knie aufstützte, zielte und ihm in den Kopf schoss. Da sind ihm die Beine weggeknickt, und das Funkeln ist aus seinen Augen verschwunden. Eine Zeit lang habe ich da gedacht, das wäre ich – der letzte freie Stier.«
    »Reichlich Bullenscheiße geben Sie ja auch von sich«, entgegnete Rebus.
    »Das Problem ist«, sagte Cafferty mit einem fast wehmütigen Lächeln, »dass ich mittlerweile das Gefühl habe, Sie sind das vielleicht, Rebus. Sie bocken und keilen und schnauben, weil Sie einfach nicht mit der Vorstellung klarkommen, dass ich sauber bin.«
    »Das liegt daran, dass es eben nicht mehr als eine Vorstellung ist.« Er verstummte und schnippte den Stummel seiner Zigarette ins Wasser. »Warum zum Teufel haben Sie mich hergerufen, Cafferty?«
    Der Gangster zuckte die Schultern. »Es gibt nicht mehr viele Gelegenheiten für solche kleinen Tête-à-têtes. Und als Sergei mir erzählte, dass Sie uns an dem Abend gefolgt sind … tja, vielleicht hatte ich bloß auf die Gelegenheit gewartet.«
    »Ich bin gerührt.«
    »Ich hab in den Nachrichten gehört, dass DI Starr zurückgeholt wurde, damit er die Ermittlungen leitet. Die haben Sie schon aufs Altenteil geschickt, was? Nur gut, dass die Rente ganz ordentlich ist …«
    »Und hundertprozentig sauber.«
    »Jetzt kriegt Siobhan ihre Chance zu zeigen, was sie draufhat.«
    »Sie kann es mit Ihnen aufnehmen, Cafferty.«
    »Wir werden ja sehen.«
    »Solange ich einen Platz am Ring habe.«
    Cafferty hatte sich jetzt zur hohen Ziegelmauer gewandt, hinter der sich das Baugelände befand. »War nett, mit Ihnen zu plaudern, Rebus. Genießen Sie diesen Spaziergang in den Sonnenuntergang.«
    Aber Rebus ließ nicht locker. »Haben Sie von dem Russen in London gehört? Sie sollten aufpassen, mit wem Sie Geschäfte machen, Cafferty.«
    »Niemand hat vor, mich zu vergiften, Rebus. Sergei und ich sind einer Meinung. In ein paar Jahren wird Schottland unabhängig sein – das steht völlig außer Zweifel – und auf Nordseeöl für dreißig Jahre sitzen, und Gott allein weiß wie viel mehr im Atlantik. Das Schlimmste, was uns passieren kann – wir machen einen Deal mit Westminster und streichen achtzig oder neunzig Prozent des Gewinns ein.« Cafferty zuckte die Schultern. »Und dann nehmen wir das Geld und investieren es in unsere üblichen Freizeitbeschäftigungen – Alkohol, Drogen und Glücksspiel. Stellen in jeder Stadt ein Superkasino hin und schauen einfach zu, wie die Profite steigen …«
    »Noch so eine von Ihren lautlosen Invasionen, hm?«
    »Die Sowjets haben doch schon immer geglaubt, dass es in Schottland irgendwann eine Revolution geben würde. Aber Ihnen kann’s ja egal sein, oder? Sie sind ja dann endgültig aus dem Spiel.« Cafferty winkte kurz und drehte sich um.
    Rebus blieb noch eine Weile stehen, obwohl er wusste, dass es ihm nichts bringen würde. Trotzdem zögerte er. Der Cafferty von neulich Abend war ein Schauspieler im Rampenlicht gewesen, mit Requisiten wie Wagen und Chauffeur. Der Cafferty von heute Abend wirkte anders, nachdenklicher. Gab jede Menge Masken in Caffertys Kleiderschrank … eine für jede Gelegenheit. Rebus spielte mit dem Gedanken, ihm anzubieten, ihn zu Haus abzusetzen, aber warum, zum Teufel, hätte er das tun sollen? Also machte er kehrt und ging zurück zu seinem Auto.
    Unterwegs steckte er sich eine weitere Zigarette an. Die Geschichte vom Stier, die der Gangster erzählt hatte, ging ihm weiter durch den Kopf. Würde der Ruhestand so werden – jede Menge Freiheit, ungewohnt, beunruhigend, aber brutal

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